Der 5G-MIMO-Messplatz | Über ein einzigartiges und effizientes Messsystem für Leistungsverstärker

Um effiziente und zuverlässige Kommunikationssysteme zu entwickeln, müssen Leistungsverstärker von Hochfrequenzsignalen sowohl analysiert als auch optimiert werden. Nur so können Innovationen vorangetrieben werden, die zu einer verbesserten Energieeffizienz mit der erforderlichen Signalqualität führen. Dies ist besonders wichtig bei der Entwicklung von Leistungsverstärkern für die Mobil- und Satellitenkommunikation, und wird ermöglicht durch präzise Hochfrequenz-Messtechniken (HF-Technik). Ein besonderes System ist dabei das 5G-MIMO-Messystem, mit dem weltweit einzigartige Messungen durchgeführt werden können. Wir sprachen mit Dr. Olof Bengtsson, Verantwortlicher für die Mikrowellenmesstechnik und Leiter des RF Power Labs am Leibniz FBH, über dieses Messsystem und die Spezifikationen.
Dr. Bengtsson, Sie sind verantwortlich für die Mikrowellenmesstechnik und leiten das RF Power Lab am FBH. Was sind Ihre generellen Aufgaben?
Innerhalb der Mikrowellen-Messgruppe unterstützen wir unsere Fabs mit Messungen, die bei der Herstellung von elektrischen Hochfrequenz-Komponenten wichtig sind. Dabei sind wir auf Leistungstransistoren, vor allem für die Mobil- und Satellitenkommunikation, spezialisiert und legen den Fokus generell auf das Thema Energieeffizienz. Unsere Labore sind aber grundsätzlich sehr vielfältig. Die Kolleg:innen haben eine unglaubliche Expertise und unterstützen generell bei allen HF-Messungen. Wir messen Frequenzen von DC bis THz (Gleichstrom bis Terahertz), Leistungen von mW bis kW (Megawatt bis Kilowatt) und in Zeit- und Frequenzdomänen. Insgesamt haben wir im Bereich III/V-Elektronik am FBH inzwischen über 50 Messplätze in Betrieb, verteilt auf die thematischen Labs und die Mikrowellen-Messgruppe.
Außerdem leite ich eines der thematischen Labs, das RF Power Lab, in dem ich zusammen mit einer Gruppe von Doktorand:innen, integrierte effiziente Leistungsverstärkersysteme für Telekommunikation und Radar entwickle inklusive der dafür erforderlichen Messtechnik. Als Lab-Leiter bin ich dafür verantwortlich, Projekte zu akquirieren und zu leiten – und davon gibt es im Bereich effiziente Verstärker und neue Messsysteme einige. Außerdem betreue ich die Doktorand:innen bei ihrer täglichen Arbeit und sorge dafür, dass wir unsere Ergebnisse in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichen.
Ein besonderes Messsystem, das Sie bei Ihrer Arbeit nutzen, ist das 5G-MIMO-Messsystem. Wie kam es zur Entwicklung des Systems?
Es ist so, dass in den früheren Generationen der mobilen Kommunikation (2G, 3G, 4G) mit relativ niedrigen Frequenzen (im Bereich bis circa 3 GHz) und entsprechend mit recht schmalbandigen Signalen (im Bereich bis circa 20 MHz) gearbeitet wurde. Mit dem Sprung zu 5G wurden jedoch auch höhere Frequenzbänder bis 6 GHz freigeschaltet, ebenso wie die sogenannten Millimeterwellen, die die hohen Anforderungen an die 5G-Frequenzen hinsichtlich Datenrate, Kapazität und Latenz erfüllen. Als Ergänzung zu den niedrigen Frequenzen wird also auch im Bereich von 24 bis 28 GHz gearbeitet, mit viel breitbandigeren Signalen bis zu 2 GHz. Nun stellte sich die Frage, mit welchen Messsystemen die Schaltkreise eines solchen neuartigen Systems gemessen werden können.
Unser Vorschlag bestand darin, dass wir das, was wir früher unter 3 GHz auf einem Verstärker messen konnten, künftig auf mehreren Verstärkern parallel und in vektorkalibrierten Schnittstellen zu den Komponenten messen. Das ist recht komplex, aber erforderlich, denn wir arbeiten mit Wafern, auf denen mehrere Dutzend Verstärker integriert sind, die in Zukunft möglicherweise zusammenarbeiten. Daher ist das Ziel durch Messungen am Wafer bereits herauszufinden, wie diese Verstärker in einem System funktionieren würden. Das war die Ausgangssituation genau zu dem Zeitpunkt, als im Rahmen der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) die 13 in der FMD kooperierenden Institute ihre Infrastruktur erweitern und modernisieren konnten.
Kommen wir nun zum Thema 5G-MIMO, was bedeutet das genau?
5G-MIMO ist eine Technologie, die in modernen Mobilfunknetzwerken, insbesondere in 5G-Netzen, verwendet wird, um die Datenübertragungsraten zu erhöhen und die Effizienz zu verbessern. MIMO steht für »Multiple Input, Multiple Output«. Diese Technologie kommt zum Einsatz, wenn ein Verstärker mehrere Ausgänge hat, die an verschiedene Antennen angeschlossen sind.

Jede dieser Antennen sendet ein phasenverschobenes Signal, wodurch Interferenzen zwischen den Signalen entstehen. Diese können so gesteuert werden, dass die Wellen an bestimmten Punkten konstruktiv (also verstärkend) oder destruktiv (also abschwächend) sind, sodass die Energie letztendlich gezielt gelenkt wird. Mit dieser Richtungswirkung kann mit einer Person in eine Richtung und gleichzeitig mit einer anderen Person in die entgegengesetzte Richtung kommuniziert werden. Anstatt das Signal einfach in alle Richtungen zu streuen, wird es dank der MIMO-Technologie auf die jeweiligen Empfänger fokussiert (Keulensteuerung). Dies verhindert eine unnötige Energieverschwendung, wie es bei traditionellen Antennen der Fall ist und steigert die Effizienz der Signalübertragung erheblich. Zudem können viel mehr Personen gleichzeitig mit der Basisstation verbunden sein, was generell zu einem effizienteren Mobilfunksystem führt. Um sicherzustellen, dass die MIMO-Technologie und die Keulensteuerung optimal funktionieren und das Signal effizient in die gewünschten Richtungen gelenkt wird, trotz Kopplung zwischen den Verstärkern und Nichtlinearitäten in den Verstärkern, sind Messungen entscheidend. Damit sind wir wieder bei den neuen, benötigten Messsystemen. Die müssen nicht nur dazu dienen, einzelne Verstärker zu testen, sondern auch die komplexen Schaltkreise auf Wafern, die für das gezielte Ausstrahlen des Signals verantwortlich sind, zuverlässig auswerten.
Wie funktioniert eine 5G-MIMO-Messung?
Ein Verstärker ist ein elektronisches Gerät, das ein Signal verstärkt, indem es dessen Amplitude erhöht, ohne das ursprüngliche Signal zu verzerren. Idealerweise sollte das verstärkte Signal am Ausgang genauso aussehen wie am Eingang, aber mit einer größeren Amplitude. In modernen Mobilfunktechnologien wie 5G wird digitale Modulation eingesetzt, bei der das Basisbandsignal mit der Information einer anderen Frequenz überlagert wird, um das Signal zu übertragen. Dadurch entsteht ein breitbandiges Spektrum, das für die effiziente Datenübertragung notwendig ist. Wenn der Verstärker jedoch nicht völlig linear arbeitet, kann dies zu Verzerrungen führen, die das Signal verfälschen und die Qualität der Kommunikation beeinträchtigen. Es ist daher entscheidend, solche Verzerrungen gering zu halten und sie zu identifizieren, um ihre Auswirkung im System zu begrenzen. Kennt man die Verzerrung, kann man mit digitaler Vorverzerrung dafür sorgen, dass die Verstärker linear und effizient arbeiten.
Hinsichtlich der Messung sollten dann zwei Voraussetzungen erfüllt werden: Zum einen muss die Arbeit mit hohen Frequenzen von 20 bis 30 GHz möglich sein. Zum anderen müssen auch das Signal, das die Informationen überträgt sowie die Nachbarkanäle, d. h. die Frequenzbereiche in der Nähe des übertragenen Signals, gemessen werden können. Die sogenannte Analysebandbreite ist also sehr breit. Immerhin haben wir eine Modulationsbandbreite im Gigahertz-Bereich.
Früher gab es lediglich einen Eingang und einen Ausgang, und die Messung erfolgte quer darüber. Heute können wir Signale auf bis zu 16 Toren erzeugen. Ein einfaches Beispiel: Wenn wir zwei Eingänge und zwei Ausgänge haben, können wir das gleiche Signal breitbandig an alle Tore ausgeben und diese elektronisch individuell so steuern, dass ein Zustand für den kleinen Schaltkreis erzeugt wird – ein Zustand, der auch in der tatsächlichen Anwendung sichtbar wäre.
Das 5G-MIMO-Messsystem wurde am FBH konstruiert und ist weltweit einzigartig. Was macht es so besonders?
Allen war klar, dass 5G kommen wird – entsprechend wurden auch überall spezielle Anlagen für 5G-Messungen entwickelt. Diese wurden jedoch so konzipiert, dass der Fokus auf einer Systemmessung liegt, bei der der Verstärker bereits integriert ist, sodass eine manuelle Manipulation der Signale nicht mehr erforderlich und möglich ist. Das war eine Option, die unsere Wünsche am FBH nicht erfüllt hätte.
Es ist für uns unerlässlich, jedes Signal individuell und präzise für jedes Tor einstellen zu können. Um dies zu ermöglichen, benötigten wir ein System, das bis zur Referenzebene des Tors kalibriert ist. Nur so können wir feststellen, welche Signale genau an unseren Verstärkern und Schaltkreisen ankommen. Diese präzise Kontrolle bieten die anderen Systeme nicht.
Um diese Messungen durchzuführen, haben wir ein System verwendet, das auf einem sogenannten Vektor-Netzwerk-Analysator basiert (VNA). Dies bedeutet, dass man ein Netzwerk, wie z. B. einen Verstärker, mit einem Ein- und Ausgang untersuchen kann, und zwar nicht nur in Bezug auf die Signalstärke (Betrag), sondern auch hinsichtlich der Phase des Signals. Die Messungen werden auf definierte Referenzebenen kalibriert, und die gemessenen Parameter sind nur für diese Schnittstelle korrekt. Meistens sind die Messungen am 5G-MIMO-Messplatz bis zur HF-Probespitze kalibriert, mit der wir die Wafer antasten.
Normalerweise kann man mit einem VNA nur schmalbandig messen – wir wollten jedoch breitbandig messen. Daher haben wir mit unserem Hersteller gesprochen, der uns nach einigen Jahren Diskussion eine Anlage mit einer Analysebandbreite von 5 GHz statt 15 MHz angeboten hat. Das heißt, wir haben einen modifizierten Kern in unserem System, den VNA – genau genommen sogar vier davon –, der für uns angepasst wurde. Jeder unserer VNA hat vier Tore und mit allen vier VNA im Messsystem werden wir zukünftig Komponenten mit bis zu 16 Toren breitbandig messen können. Alles drumherum mussten wir aber selbst bauen. So haben wir den Kern mit unserer eigenen Hardware kombiniert und die erforderliche Software für die Ansteuerung selbst entwickelt.
Schön zu sehen ist übrigens auch, dass unsere Arbeit beim Hersteller Aufmerksamkeit erregt hat. Wir haben das Feedback bekommen, dass sie dank der Anforderungen aus dem FBH einige konzeptuelle Neuerungen in neue VNA-Systeme eingebaut haben.
Dabei haben wir auch an die Zukunft gedacht. 5G ist interessant, aber bald kommt 6G. Uns war es also sehr wichtig, dass wir nicht einen Messplatz kaufen und konzipieren, der nur 5G-Forschungsmessungen ermöglicht. Unser 5G-MIMO-Messplatz ist modular. Wir können ihn weiterentwickeln und die Einzelteile für die kommende Generation und für andere Zwecke nutzen.
Wie hat sich die Arbeit seit der Installation des Messsystems entwickelt?
Wir haben Schritt für Schritt die Komplexität der Messungen gesteigert. 2022 haben wir dann die ersten Multiple-Input-Komponenten messen können und gezeigt, dass es klare Vorteile gibt, neuartige Verstärker im Hinblick auf eine höhere Effizienz in einem solchen Messplatz zu optimieren. Man kommt so schneller zu einer Lösung.
Der Messplatz wurde im Jahr 2020 installiert. Das ist jetzt gut fünf Jahre her. Gab es ein Highlight oder einen besonderen Meilenstein in diesen Jahren?
Auf jeden Fall. Zum Beispiel hatten wir einen Doktoranden von der Universität in Bologna (UNIBO) als Gastwissenschaftler bei uns. Er wollte einen besonderen Typ von energieeffizienten Komponenten mit unserem Messsystem untersuchen. Gemeinsam haben wir diese Komponenten mit einer Bandbreite von 600 MHz erfolgreich getestet und optimiert. Das war ein Highlight, zumal es gezeigt hat, dass unser Konzept funktioniert.
Was mich auch immer wieder begeistert: Die Anlage ist so vielfältig einsetzbar. Man kann sie an sämtliche Messsituationen anpassen. Der italienische Gastwissenschaftler hat z. B. einen Schaltkreis gemessen, der mehrere Eingänge hatte – es handelte sich dabei nicht um einen Standard-MIMO-Fall.
Dank der Flexibilität des Systems können wir viele Projekten mit Messungen unterstützen. Ich habe beispielsweise 2023 einen Leibniz-Wettbewerb gewonnen, mit einem Projekt, in dem wir u. a. ein autonomes Messsystem für die Erfassung von Transistordaten erstellt haben. Die Realisierung dieses Projekts wäre ohne den 5G-MIMO-Messplatz nicht möglich gewesen.
Sie haben schon angesprochen, dass Sie mit Gastwissenschaftlern zusammengearbeitet haben. Heißt das, dass grundsätzlich Kooperationen möglich sind und auch Partner am Messplatz arbeiten können?
Auf jeden Fall. Wir hatten schon Industrieaufträge, bei denen der Messplatz zum Einsatz kam. Außerdem gibt es die Möglichkeit, wissenschaftlich mit uns zu kooperieren. Wie bereits angesprochen, gibt es seit einigen Jahren eine Kooperation mit der Gruppe von Dr. Gian Piero Gibiino in Bologna. Fast jedes Jahr kommen daher Doktorand:innen von der UNIBO zu uns, die u. a. am Messplatz arbeiten. Auch nach unserem Short-Course auf der European Microwave Week in Berlin war das Interesse an dem Messsystem spürbar und seitdem finden immer mehr Wissenschaftler:innen den Weg zu uns. Das ist natürlich toll und freut uns sehr.
