Galvanik | Über Ablauf, Nachhaltigkeitsaspekte und Optimierungsfragen eines zentralen Verfahrens in der Halbleitertechnik

Die Galvanik spielt in der Bearbeitung von Wafern eine wichtige Rolle, denn mithilfe dieses Prozesses wird die Oberfläche des Wafers z. B. nicht nur geschützt, sondern auch leitfähig gemacht. Zum Einsatz kommen dabei verschiedene Metalle, je nachdem, welcher Zweck mit der Galvanisierung verfolgt wird. Um das Verfahren genauer in den Blick zu nehmen, haben wir mit Dr. Andreas Thies, Leiter der Arbeitsgruppe »Backend« am Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (Leibniz FBH) gesprochen. Im Interview erklärt der Experte, worauf bei der Galvanisierung besonders geachtet werden muss, welche Rolle das Thema Nachhaltigkeit spielt und was den Halbleiterherstellungsprozess aus seiner Sicht so einzigartig macht.
Herr Thies, die Galvanik ist ein wichtiger Prozessschritt in der Halbleiterherstellung. Was ist darunter genau zu verstehen?
Die Galvanik wird in der Halbleiterindustrie seit vielen Jahrzehnten eingesetzt und ist ein Verfahren zur Oberflächenbehandlung, bei dem Metalle oder Legierungen auf ein Substrat abgeschieden werden. Es handelt sich um einen elektrochemischen Abscheidungsprozess, d. h. der Wafer wird in eine Elektrolytlösung getaucht und mittels elektrischen Stroms werden gelöste Metallkationen so reduziert, dass sich eine dünne, zusammenhängende Metallbeschichtung auf dem Wafer bildet.
Also zusammengefasst, während die Implantation die Eigenschaften des Materials im Inneren des Wafers verändert und das Kristallgitter beeinflusst, wird durch die Galvanisierung eine leitfähige Metallschicht auf der Oberfläche erzeugt. In der Halbleitertechnik werden auf diese Weise Kontakte und Leiterbahnen auf den Wafer aufgebracht. Dabei können unterschiedliche Metalle bzw. Legierungen verwendet werden.
Zu Beginn meiner Karriere als Elektrochemiker hatte IBM beispielsweise einen Prozess entwickelt, bei dem für die Siliziumtechnologie Leiterbahnen aus Kupfer abgeschieden wurden. Zur damaligen Zeit war das eigentlich ein No-Go, denn Kupfer ist ein Material, das den Halbleiter stark verunreinigt und seine Funktionsweise einschränken könnte. Es war damals auch unklar, wie die darunterliegenden Halbleiterschichten vor dem Eindringen von Kupfer geschützt werden können; geeignete Prozesse zu entwickeln war Teil der Herausforderung. Der Vorteil von Kupfer wiederum ist, dass es den Strom sehr gut leitet und relativ dicke Schichten abgeschieden werden können. Diese halten gut und verursachen keine mechanischen Spannungen, die zu Abplatzungen führen könnten.
Was heißt dick in diesem Kontext?
Der Durchmesser eines menschlichen Haares beträgt zwischen 50 und 80 µm. Das gilt in der Halbleiterindustrie als ultradicke Schicht. Zum Vergleich: Unsere Dickschicht-Technologie erreicht Schichtdicken von maximal 10 µm. Für diese Dicke gibt es aber nur noch wenig Anwendungsfälle. Mittlerweile können wir schnell, sehr homogen und in exzellenter Qualität Schichten bis zu 5 oder 6 µm abscheiden. In der Regel sind diese für uns ausreichend und können genug Strom transportieren, dass unsere Hochleistungsbauelemente optimal funktionieren. Für unsere LEDs genügen jedoch deutlich dünnere Schichten.
Welches Metall nutzen Sie für Ihre galvanischen Prozesse und warum?
In der Regel gilt Kupfer auch heute noch als das »Brot-und-Butter-Metall« und wird häufig in der Galvanisierung verwendet. Aber wir scheiden hier am Leibniz FBH meist Gold ab, das sich für unsere Anwendungen noch viel besser eignet. Das hat einen einfachen Grund: Kupfer läuft nach einer gewissen Zeit an bzw. oxidiert. Dieses Phänomen können Sie beispielsweise an Kirchendächern beobachten, an denen diese grün-schwarze Verfärbung auftritt – das sind Hydroxyde und Oxyde. Für unsere Zwecke wäre das nicht gut, denn dann würde die Leiterbahn nicht mehr richtig leiten. Deswegen nutzen wir Gold zur Galvanisierung, das nicht oxidiert und immer gut leitet.

Unter bestimmten Bedingungen kann Gold jedoch in andere Schichten diffundieren oder durch hohe Temperaturen und chemische Prozesse in der weiteren Bearbeitung beeinträchtigt werden. Um dies zu verhindern, muss manchmal eine Schicht abgeschieden werden, die das Gold für bestimmte Prozessschritte schützt. Daher nutzen wir auch Nickel zur galvanischen Abscheidung, das als Barriere dient, die das Gold schützt und verhindert, dass an unerwünschten Stellen Diffusion eintritt. Für den Fall, dass Komponenten später gelötet werden sollen, nutzen wir außerdem noch Zinn. Das sind die drei Metalle, die am FBH im Moment auf einer professionellen Anlage, die hochvolumentauglich ist, abgeschieden werden können.
Wie viele Wafer können gleichzeitig galvanisiert werden?
Im Gegensatz zu anderen Techniken, bei denen zwanzig Wafer eingebaut und gleichzeitig im Vakuum bearbeitet werden können, widmen wir uns beim Galvanisieren immer nur einem Wafer. Das hängt damit zusammen, dass bei gleichzeitiger Bearbeitung einer größeren Anzahl die Schichtdickenverteilung über diese Wafer nicht besonders gut wäre. Wollte man mehrere Wafer beschichten, bräuchte man ein riesiges Bad.
Galvanisiert wird – wie eben von Ihnen erwähnt – in einem Galvanikbad. Lassen Sie uns einen kurzen Blick auf das Thema Nachhaltigkeit werfen. Was passiert mit dem Wasser nach dem Prozess?
Das Goldbad kann ungefähr ein Jahr lang benutzt werden, bevor es abgepumpt und recycelt wird. Das Volumen unseres Bades beträgt circa zwanzig Liter; und auf einen Liter kommen ungefähr zwölf Gramm Gold. Das heißt, in so einem Reaktor sind rund 250 Gramm Gold enthalten – dementsprechend sorgfältig wird mit diesem Goldbad umgegangen.
Nachdem der Wafer aus dem Bad herausgeholt wurde, lässt man ihn schnell rotieren, um möglichst alle Elektrolytreste zu entfernen. Zurück bleibt dann eine Menge an Flüssigkeit, die fünf oder sechs Wassertropfen entspricht. Im letzten Schritt wird der sich drehende Wafer von unten mit Wasser angesprüht, um diese kleine Menge zu entfernen. Dieses Wasser mit den allerletzten Elektrolytresten geht separat in die Abwasseraufbereitung, damit es entweder wiederverwendet oder gereinigt ins Abwasser gegeben werden kann.
Generell muss man natürlich sagen, dass in der Halbleiterindustrie sehr viel Wasser benötigt wird – die Galvanik gehört allerdings nicht zu den Prozessschritten, die das meiste Wasser verbrauchen.
Wie geht es weiter, nachdem die Galvanisierung abgeschlossen ist?
Wichtig ist die Qualitätskontrolle. Es gibt zum Beispiel Bereiche auf dem Wafer, die vor der Galvanisierung geschützt werden. Wenn die Galvanisierung abgeschlossen ist, wird geprüft, ob der Höhenunterschied zwischen der galvanischen Schicht und dem vorher aufgetragenen Fotolack wie gewünscht ausfällt. Ganz genau lässt sich das leider nicht bestimmen, denn der Lack quillt ein wenig, wenn er im Bad ist und kann seine Dicke um Bruchteile im Prozentbereich ändern. Wenn das geprüft wurde, wird der Wafer abgelackt, d. h. der Fotolack wird entfernt.
Außerdem wird nach der Galvanisierung die sogenannte Plating Base abgeätzt. Es ist so: Galvanik funktioniert mit Strom, also muss der Wafer von Anfang an leiten. Daher wird zu Beginn des Prozesses eine dünne leitfähige Schicht abgeschieden, die sogenannte Plating Base, auch Startschicht oder Metallisierungsstartschicht genannt. Die schließt den ganzen Wafer kurz. Diese dünne Schicht muss am Ende natürlich wieder weggeätzt werden. Wenn das erledigt ist und der Wafer inspiziert wurde, geht er in die elektrische Messtechnik, um das Ergebnis zu bestätigen. Dann kann das Produkt in den nächsten Bearbeitungsschritt gegeben werden. Dazu wird beispielsweise eine weitere, elektrisch nichtleitende Schicht aufgetragen, zum Beispiel Siliziumoxid, Siliziumnitrid oder auch BCB (Benzocyclobutene), die die Metallisierung schützt und Kurzschlüsse verhindert.
Gibt es Ihrer Meinung nach bei diesem gesamten Prozess noch Optimierungsmöglichkeiten?
Das kommt auf die Perspektive an. Die meisten Leute in der Industrie würden sich fragen, wie der Prozess weiter beschleunigt werden kann. Optimierung würde nach diesem Verständnis bedeuten: Wie kann der Durchsatz erhöht werden. Der Durchsatz hat für uns am Institut aber nicht die größte Priorität. Wir kommen immer innerhalb von wenigen Stunden auf ein ausreichendes Ergebnis, weil unsere Anlagen schnell genug sind und wir Wafer nicht in industriellen Größenordnungen bearbeiten. Wir optimieren daher eher die Schichtdickenverteilung oder die Gesamtintegration und fragen uns beispielsweise: Wie kann der gesamte Prozess weiterentwickelt werden, damit das Gesamtergebnis noch besser wird?
Was macht den Halbleiterherstellungsprozess aus Ihrer Sicht besonders und grenzt ihn von anderen Prozessen ab?
Der gesamte Halbleiterprozess ist Teamarbeit, denn wenn in einem dieser 800 oder mehr Arbeitsschritten in der Chipherstellung etwas falsch läuft, ist die Ausbeute gleich null. Damit ist ein Erfolg immer ein Erfolg aller Beteiligten. Wenn etwas schief geht, kann das andererseits immer auf einen Bearbeitungsschritt oder das Zusammenspiel von Bearbeitungsschritten zurückgespiegelt werden. Das liefert wichtige Erkenntnisse, denn so lässt sich nachvollziehen, an welcher Stelle es im Prozess hakt. Denn manchmal hat man ein Produkt oder Ergebnis, aber es funktioniert nicht optimal Diese Ursachenforschung zu betreiben ist auch Teil des Spaßes, zumindest für mich. Natürlich freue ich mich noch mehr, wenn etwas auf Anhieb funktioniert.
Ausblick: Wir haben mit Andreas Thies außerdem über die Ionenimplantation am FBH gesprochen, einen weiteren wichtigen Prozess in der Halbleitertechnik. Mehr dazu lesen Sie hier.
