29.04.2025 News Interviews

Ionenimplantation | Über ein Verfahren, das die Halbleiterherstellung revolutioniert hat

©Adobe Stock | Vitte Yevhen

Im Interview: Dr. Andreas Thies vom Leibniz FBH

Die Entwicklung der Ionenimplantation in den 60er Jahren war eine der grundlegenden Voraussetzungen dafür, dass hochintegrierte Schaltkreise, wie wir sie heutzutage kennen, hergestellt werden können. Das Verfahren wird eingesetzt, um Fremdatome in einen Halbleiter einzubringen und auf diese Weise z. B. dessen Leitfähigkeit zu verändern (Dotierung). Am Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (Leibniz FBH) beschäftigt sich Dr. Andreas Thies, Leiter der Arbeitsgruppe »Backend«, u. a. mit der Frage, wie die Ionenimplantation weiter verbessert werden kann. Wir haben mit ihm über seinen Arbeitsalltag, Herausforderungen und Innovationen im Halbleiterprozess gesprochen.

Herr Thies, Sie arbeiten am Leibniz FBH in der Abteilung für Prozesstechnologie und leiten dort die Arbeitsgruppe Backend. Mit welchen Prozessen beschäftigen Sie sich konkret?

Die Aufgabe unserer Arbeitsgruppe ist es, aus Bauelementen, die noch auf einem kompletten Wafer sind, Einzelelemente herzustellen, sogenannte Chips. Nachdem die Chips beispielsweise durch Sägen oder Lasern aus dem Wafer herausgetrennt wurden, müssen sie alle einzeln weiterverarbeitet werden. Dieser Schritt markiert den Übergang vom Frontend zum Backend. Während also beim Frontend alle Prozesse auf einem Wafer ablaufen, werden im Backend Einzelchips bearbeitet. Es gibt zusätzlich zwei Bereiche, die klassisch zum Backend gehören: Das ist einmal die Implantation – keine besonders saubere Technologie – und die Galvanik.

Was bedeutet nicht besonders sauber in diesem Zusammenhang?

Wir arbeiten in einem Reinraum und der ist absolut partikelfrei. Wobei: Absolut als Generalisierung stimmt natürlich nicht ganz. Es gibt verschiedene Partikelklassen und je nachdem, in welchem Reinraum gearbeitet wird und wie klein die Strukturen sind, die hergestellt werden, müssen unterschiedliche Partikelklassen eingehalten werden. Wenn im Backend etwas zersägt oder zerteilt wird, entsteht Abrieb, also kleine Partikel. Bei der Definition, wie rein der Raum ist, geht es letztendlich um die Partikelanzahl bzw. die Partikelgröße. Verglichen mit einem medizinischen oder biologischen Reinraum ist das Backend natürlich immer noch sehr rein. Die Qualitätskriterien des Frontends allerdings sind noch höher.

Werfen wir nun einen Blick auf die Implantation und Ihre tägliche Arbeit. Mit welchen Aufgaben sind Sie aktuell beschäftigt und vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?

Aktuell arbeiten wir daran, unsere Ionenimplantation weiter voranzutreiben. Klassischerweise ist ein Ionenimplanter ein recht komplexes Gerät. Mit unserem Implanter bringen wir sehr viele unterschiedliche Ionen ein. Es gibt viele Parameter, die man anpassen kann, um den Implantationsprozess zu steuern. Allerdings gibt es auch Bereiche, in denen wir eingeschränkt sind, z. B. bei der Beschleunigungsspannung. Diese Beschleunigungsspannung ist für die Tiefe der implantierten Ionen im Material verantwortlich. Sie beeinflusst nicht nur die Eindringtiefe der Ionen, sondern auch deren Geschwindigkeit und Energie, was wiederum Auswirkungen auf die Wechselwirkungen mit dem Material hat. Bei uns beträgt die Spannung max. 500.000 Volt. Höhere Spannungen können wir nicht einstellen, zum einen, weil es aus Strahlenschutzgründen verboten ist und zum anderen, weil das mit unserem Implanterraum platztechnisch gar nicht möglich ist.

 

Was wir zum Beispiel tun können, um die gewünschten elektrischen Eigenschaften gezielt einzustellen, ist, viele verschiedene Ionen zu implantieren. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Industrieimplantationen. Da stehen meist Dutzende von Ionenimplantern, von denen jeder für eine spezielle Aufgabe beschafft wurde. Der eine wird für Phosphorimplantationen genutzt, der andere für Arsen- oder Antimonimplantationen. Anders als in der Siliziumindustrie haben wir am FBH einen Implanter, mit dem wir alles implantieren können und müssen.

©FBH | Matthias Baumbach

Partner können mit Metallen, Gasen oder Flüssigkeiten zu uns kommen – und wir kriegen alles in die Gasphase. Zuerst ionisieren wir die Stoffe, beschleunigen die Ionen und schießen sie dann in unser Werkstück. Viele Materialeigenschaften, die in der Siliziumtechnologie mit Implantation eingestellt werden, werden in der III/V-Halbleitertechnologie durch Epitaxie erreicht. Dazu gibt es am FBH eine eigene Abteilung, die Materialtechnologie, die die speziellen Schichten herstellt. Diese Schichten modifizieren wir dann nur noch mit der Ionenimplantation, indem wir sie beispielsweise lokal wieder zerstören und so die Leitfähigkeit reduzieren.

 

Des Weiteren überlegen wir uns aktuell Techniken, mit denen wir unseren Implanter so weiterentwickeln können, dass trotz sehr kleiner Dosen noch implantiert werden kann. Die Dosis ist immer das Produkt aus Zeit und Strom (Anzahl der Ionen, die pro Sekunde auf das Zielmaterial geschossen werden). Wenn die Ströme klein werden, sind sie schwer zu messen. Sobald der Strom an die Grenze der Messbarkeit stößt, können wir ihn nicht weiter verringern, auch wenn nur eine kleine Dosis implantiert werden soll. Die Zeit kann aber auch nicht beliebig kurz werden. Dafür brauchen wir eine Lösung. Dieses Austüfteln von neuen Ideen und Ansätzen bereitet mir viel Spaß und macht meine Arbeit abwechslungsreich.

Wie lange dauert es, bis solche Prozesse verbessert bzw. weiterentwickelt werden?

Mit dem letzten Beispiel beschäftige ich mich seit ungefähr sechs Monaten. Das ist tatsächlich ein recht komplexer Prozess. Zunächst müssen Ideen entwickelt und geplant werden. Dann werden Komponenten bestellt, deren Lieferung oft drei bis vier Monate dauert. Anschließend müssen die Teile eventuell noch von unserer Werkstatt angepasst werden, bevor sie zusammengesetzt werden. Nachdem die Funktionsfähigkeit im normalen Betrieb getestet wurde, werden die Bauteile schließlich in den Implanter eingebaut, um zu sehen, ob auch im Ultrahochvakuum alles funktioniert. Denn Ionenimplantation findet immer in einem sehr hohen Vakuum statt, also einem sehr kleinen Druck.

Die Ionenimplantation ist von zentraler Bedeutung für die Dotierung von Halbleitern, also den Prozess, bei dem Fremdatome in den Halbleiter eingebracht werden, um dessen Leitfähigkeit zu regulieren. Früher erfolgte das durch einen thermischen Prozess bzw. Diffusion. Dieses Verfahren ist aber sehr empfindlich gegenüber Oberflächenverunreinigung. Warum hat sich die Ionenimplantation als Verfahren durchgesetzt und welche Vorteile bietet sie?

Implantation ist eine Standardtechnik, die die Siliziumtechnologie erst groß gemacht hat, weil das Einbringen von Ionen eben nicht mehr vom Zustand der Oberfläche abhängig ist. Ob auf der Oberfläche minimale Schichten Verunreinigungen sind oder nicht, spielt keine Rolle. Die Teilchen werden so beschleunigt und mit einer relativ hohen Energie auf die Oberfläche geschossen, dass die Schichten gleichmäßig durchdrungen werden können. Daher ist die Ausbeute bei der Ionenimplantation so hoch. Die Ionenimplantation hat auch die berühmte explosionsartige Steigerung hinsichtlich Stückzahl und Integrationsgrad möglich gemacht. Das war eine der Voraussetzungen, um die aktuell verfügbaren, hochintegrierten Schaltkreise überhaupt herstellen zu können.

Die Wahl der Ionen hängt also davon ab, welcher Werkstoff verwendet wird?

Richtig, das hängt immer vom Werkstoff ab und von dem, was unsere Kunden oder Kolleg:innen am Institut selbst an Aufgaben an uns herantragen. Man muss die Art, wie implantiert wird – den Ionentyp, die Energie oder die Dosis – an den Werkstoff anpassen. Das heißt, die Kolleg:innen teilen mir mit, welchen Schichtaufbau sie haben wollen und gerne verändert hätten, und ich simuliere das. Dafür gibt es etablierte Software-Tools. Bei einer komplexen Epitaxie dauert das Programmieren zwei bis drei Stunden. Danach werden verschiedene Energien und Tiefen simuliert. Ich würde sagen, das Bearbeiten eines normalen Auftrages benötigt ungefähr einen halben Tag. Vielleicht dauert es auch mal einen Tag. Insgesamt ist das aber kein Hexenwerk.

Ausblick: Neben der Ionenimplantation haben wir mit Dr. Andreas Thies auch über Galvanik und die Bedeutung dieses Verfahrens für die Halbleiterherstellung gesprochen. Mehr dazu können Sie in Teil zwei des Gesprächs lesen.

©FBH | Matthias Baumbach

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