Umweltbewertung von der Komponente zum Produkt | Green ICT Courses
Nachdem es im ersten Video der Schulungsreihe zur Bewertung grüner IKT-Systeme um die Grundlagen der Umweltbewertung bzw. Ökobilanzierung ging, gibt Jana Rückschloss, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Environmental and Reliability Engineering am Fraunhofer IZM, im zweiten Teil konkrete Einblicke in die einzelnen Prozessschritte der Umweltbewertung. Sie erklärt, wie Ökobilanzen erstellt werden, vor welchen Herausforderungen Forschende dabei stehen und warum man nicht jede Komponente berücksichtigen muss, um valide Ergebnisse zu erhalten.
Von Prozessbilanzen über Komponentenbewertungen zur Produktbewertung
Zunächst gilt: Je nach Zielobjekt der Umweltbewertung verschieben sich Fokus sowie Detailtiefe. Das heißt, vor Beginn der Analyse muss festgelegt werden, was genau bewertet und welche Aspekte dabei berücksichtigt werden sollen. Die klassische Ökobilanz bildet den ganzen Lebenszyklus eines Produktes ab (cradle-to-grave). Wird dagegen nur die Herstellungsphase z.B. von Baugruppen oder Komponenten analysiert, spricht man von cradle-to-gate – die Bewertung erfolgt ohne Berücksichtigung von Transporten nach der Herstellung, Nutzung oder Entsorgung. In der Fertigung von Halbleitern sind dabei neben den direkten Material- und Energieverbräuchen auch die Infrastruktursysteme relevant, beispielsweise Reinräume, die im Prozess zum Einsatz kommen und einen sehr hohen Energieverbrauch haben. Dieser wird entsprechend auf Prozesse und Stückzahlen umgelegt.
Für alle Prozessschritte sollten alle benötigten Inputs (Materialien, Betriebsstoffe und Energie), sowie Outputs (Emissionen und Abfälle) betrachtet und analysiert werden. Allerdings muss konstatiert werden: In der Realität verfügen Wissenschaftler:innen selten über alle vollständigen Daten komplexer Fertigungsketten, um für jeden Prozessschritt eine lückenlose Bewertung zu erstellen. Mit solchen Datenlücken umzugehen, ist eine der Herausforderungen bei der Umweltbewertung.
Um eine Prozessbilanz zu erstellen, wird für jeden Schritt betrachtet, welche Materialien, Betriebsstoffe und Energie hineingehen (Input) und welche Emissionen und Abfälle am Ende anfallen (Output). Setzt man diese einzelnen Prozesse zusammen, ergibt sich die Komponentenbewertung. Diese einzelnen Komponenten wiederum werden dann zu Produkten zusammengesetzt. So ergibt sich am Ende eine finale Produktbewertung.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Wie bereits beschrieben, verfügen Forschende nie über alle Informationen und gleichzeitig nicht über die (zeitlichen) Kapazitäten stets alle Schritte von der Rohstoffgewinnung an selbst zu bilanzieren. Hier helfen Ökobilanzdatenbanken dabei, den Fokus auf die relevanten Prozessschritte zu legen und – wo ausreichend vorhanden – auf generische Datensätze zurückzugreifen. Die Herausforderung einer Ökobilanzierung liegt darin, den Fokus auf die relevanten Komponenten und Prozesse zu legen, die das Ergebnis treiben. In elektronischen Baugruppen werden häufig mehr als 100 Komponententypen verbaut. Dabei verursachen aber nur ca. 10 Prozent 90 Prozent des CO²-Fußabdrucks. Indem sich auf die jeweils relevanten Komponenten oder Prozesse fokussiert wird, ist es möglich, valide Umweltbewertungen zu erstellen, ohne jede einzelne Komponente zu analysieren. Die folgende Abbildung verdeutlicht das. Die Flächen in den Grafiken entsprechen den jeweiligen Anteilen der Umweltauswirkung einer Lebensphase an der Gesamtsumme. Basierend darauf lässt sich ableiten, welche Prozesse und Komponenten in der jeweiligen Umweltbewertung für das Produkt mit besonderer Sorgfalt modelliert werden müssen. So sieht man, dass bei einem Smartphone vor allem die Herstellungsphase großen Einfluss hat, während bei einer LED-Leuchte fast ausschließlich die Nutzung ins Gewicht fällt. Da diese Relevanz sich allerdings aus dem Ergebnis ableitet, zeigt sich, dass die Forschenden schon vorab ein gutes Verständnis des betrachteten Produktsystems, der Prozesse und relevanten Umweltparameter haben müssen.
Wenn Ihr noch mehr wissen wollt, dann schaut gerne das Video an.
Sie möchten noch mehr zum Thema ressourceneffiziente Elektronik wissen?
Dann werfen Sie doch einmal einen Blick in die dritte Ausgabe unserer Magazins FMD.impuls.