#Chip Happens-Podcast: Staffel 2, Folge 5 I Von Hightech-Fischzucht und vegetarischen Raubfischen
Große Probleme brauchen häufig ziemlich kleine Helfer. Der Podcast »Chip Happens – Kleine Dinge, die alles verändern« von Chipdesign Germany zeigt, wie Mikroelektronik und Chipdesign dabei helfen können, die drängenden Fragen unserer Zeit anzugehen – jederzeit nachvollziehbar und alltagsnah. Das Format richtet sich an alle, die verstehen wollen, wie Technik im Hintergrund wirkt und dennoch zentrale Weichen stellt. Kluge Köpfe aus der Branche sprechen hierfür mit Moderator Sven Oswald über ihre faszinierenden Geschichten, geben überraschende Einblicke und zeigen hautnah die vielen Möglichkeiten, die unser Fachbereich bietet.Wasser ist Leben. Und Mikroelektronik hilft uns, es zu finden, zu reinigen, zu überwachen und zu bewahren. In Staffel 2 von »Chip Happens«, dem Podcast von Chipdesign Germany, dreht sich alles um das Element Wasser – von der Tiefsee bis ins Weltall.
Staffel 2, Folge 5 I Mikroelektronik im Fluss – von Hightech-Fischzucht und vegetarischen Raubfischen
Wie lassen sich Fische nachhaltig züchten – und was verraten sie uns über ihr Wohlbefinden? Moderator Sven Oswald spricht in dieser Folge von mit drei Gästen über die Rolle von Mikroelektronik, Akustik und künstlicher Intelligenz in der modernen Fischzucht.
Ingo Bläser, Geschäftsführer der Aquaponik Manufaktur, erklärt, wie Aquaponik – die Kombination aus Aquakultur und Hydroponik – in geschlossenen Kreisläufen funktioniert. Er spricht über die Vision integrierter Farmen, in denen z. B. Plankton, Insektenlarven oder Wurmkulturen als natürliche Ressourcen genutzt werden. Auch die Bedeutung von Sensorik, Klimacomputern und automatisierten Fütterungssystemen wird deutlich.
Jakob Bergner vom Fraunhofer IDMT zeigt, dass Fische keineswegs stumm sind. Mithilfe von Hydrophonen analysiert sein Team Fischgeräusche wie Klacken, Schnappen oder Gurgeln – und setzt KI ein, um daraus Rückschlüsse auf das Verhalten und die Gesundheit der Tiere zu ziehen.
Michael Schlachter vom Fraunhofer IMTE beleuchtet die Forschung an nachhaltigem Fischfutter. Er erklärt, warum pflanzenbasierte Alternativen zu Fischmehl nötig sind, worauf es bei Geschmack und Nährstoffprofil ankommt – und warum Forellen erstaunlich wählerisch sein können.
Worum geht es in der Folge?
Ingo Bläser zu Fischfang an Land mit Hilfe von Aquaponik: |
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Situation: |
Der weltweite Fischkonsum liegt im Durchschnitt bei rund 20 Kilogramm pro Person und Jahr – Tendenz in den letzten Jahren steigend. Dieser Bedarf will gedeckt werden, doch der klassische Fischfang im Meer ist schwer kontrollierbar, ökologisch problematisch und gefährdet natürliche Kreisläufe. Überfischung bleibt eines der größten globalen Umweltprobleme.
Eine Alternative bietet die Fischzucht an Land, die meist mit Süßwasserarten betrieben wird. In kontrollierten Systemen können Fische gezüchtet und gemästet werden; in geschlossenen Wasserkreisläufen, die sich weitgehend selbst reinigen und damit sicher, sauber und effizient betrieben werden können.
Ein Beispiel sind die Aquaponik-Großanlagen der Firma »Aquaponik Manufaktur« von Ingo Bläser. In diesen Systemen wird der komplette Stickstoffkreislauf abgebildet: Die Fische geben Nährstoffe über ihre Ausscheidungen ab, Bakterien wandeln Ammonium in Nitrit und anschließend in Nitrat um, das wiederum von Pflanzen aufgenommen wird. So entsteht ein geschlossener Stoffkreislauf, der natürliche Prozesse imitiert und effizient für die gleichzeitige Fisch- und Pflanzenzucht genutzt wird.
Die Verbindung von Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponik zur Aquaponik (kombinierte Fisch- und Pflanzenzucht) vereint die Vorteile beider Systeme und bildet einen geschlossenen, ressourceneffizienten Kreislauf. |
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Problemstellung: |
Trotz moderner Technik sind viele dieser Zucht- und Anbauanlagen noch keine vollständig geschlossenen Kreisläufe. Es entstehen weiterhin Abfälle, Energieverluste oder Abhängigkeiten von externen Futterquellen.
Zudem müssen die Systeme individuell an Standortbedingungen, Artenvielfalt und klimatische Einflüsse angepasst werden. Ohne intelligente Steuerung kann dies schnell zu Effizienzverlusten oder Problemen bei der Wasserqualität führen. |
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Lösungsansätze/Innovationspotenziale: |
Das Ziel ist die Entwicklung der integrierten Farm; also einer Einheit, in der verschiedene biologische und technische Systeme miteinander interagieren.
Dabei werden Nährstoffkreisläufe unterschiedlicher Tier- und Pflanzenarten gezielt miteinander verknüpft. So könnten die nährstoffreichen Ausscheidungen von Hühnern direkt als Dünger oder Nährstoffquelle weiterverwertet werden.
In der Fischzucht könnte künftig bspw. auf industriell hergestellte Futterpellets zum größeren Teil verzichtet werden. Stattdessen würden Plankton, Insektenlarven oder kleine Krebstiere, die innerhalb des Systems (mit-)gezüchtet werden, als natürliche Nahrungsquelle dienen. Würmer könnten zusätzlich zur Re-Mineralisierung des Wassers beitragen, indem sie Sedimente auflockern und Nährstoffe freisetzen.
Das langfristige Ziel ist ein komplexes, biologisch inspiriertes System, in dem Tiere, Pflanzen, Mikroorganismen und Pilze in Balance miteinander stehen. Dieses „technologische Biotop“ steigert Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Produktivität – und kann sowohl ökologisch als auch ökonomisch überzeugen. |
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Weiterer Forschungs-/Entwicklungsbedarf / Aktuelle Projekte: |
Für den weiteren Ausbau solcher Anlagen ist entscheidend, Technologieeinsatz und Standortbedingungen aufeinander abzustimmen.
In aktuellen Forschungsprojekten der Firma, etwa in Afrika, werden Anlagen der Aquaponik Manufaktur bewusst mit weniger Technologie ausgestattet als in den Hightech-Varianten, die in Deutschland entstehen. So lassen sich Kosten reduzieren und Betrieb und Wartung vereinfachen.
High-End-Anlagen verfügen dagegen über ein Vielfaches an Sensorik und Messtechnik; unter anderem zur Überwachung von pH-Wert, Temperatur, Leitfähigkeit und Nährstoffgehalt des Wassers. Diese Daten werden mit automatisierten Aktoren verknüpft, die etwa bei einem plötzlichen pH-Abfall sofort Korrekturmaßnahmen einleiten.
Auch die Futtervergabe kann heute „smart“ gesteuert werden: KI-Systeme analysieren das Verhalten der Fische und passen die Futtermenge dynamisch an. So werden teure Futterpellets effizient genutzt und Verluste minimiert.
Traditionell regeln sogenannte Klimacomputer in Hydrokulturen Parameter wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur oder Belüftung. Künftig werden diese Systeme auch mit der Wasserüberwachung der Aquakultur gekoppelt. Luft und Wasser werden so zu einem integrierten Regelkreislauf, der Ressourcen spart und das Wohlbefinden der Tiere verbessert.
Noch besteht Entwicklungsbedarf: Die Erfahrungen aus dem Gewächshausbau und der Fischzucht müssen stärker miteinander verknüpft werden. Denn unter anderem Aspekte wie Luftfeuchtigkeit und Temperaturansprüche unterscheiden sich in beiden Bereichen deutlich; dennoch müssen sie in einem kombinierten System ideal harmonieren.
KI kann dabei eine Schlüsselrolle spielen. Moderne Kamerasysteme erkennen Verhaltensmuster und Auffälligkeiten bei Fischen frühzeitig, sodass sich Wasserqualität, Futtermenge oder Lichtbedingungen automatisch anpassen lassen. Damit wird aus der Hightech-Fischzucht ein lernendes, selbstregulierendes System der Zukunft. |
Jakob Bergener vom Fraunhofer IDMT interpretiert Schmatz-, Schnapp und viele weitere Geräusche von Fischen: |
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Situation: |
Fische und andere Meerestiere sind weit weniger still, als man gemeinhin annimmt. Ganz im Gegenteil: Fast alle Arten erzeugen auf unterschiedliche Weise Geräusche.
Shrimps kommunizieren mit Knacklauten, die durch das Aneinanderschlagen ihrer Scheren entstehen. Wale und Delfine singen oder pfeifen, und selbst Fische in Aquakulturen erzeugen bei Bewegung und Fütterung eine Vielzahl akustischer Signale; sie schnappen, gurgeln oder grunzen.
Auf Plattformen wie –> fishsound.net …
Zur Erfassung solcher Klänge kommen spezielle Unterwassermikrofone, sogenannte Hydrophone, zum Einsatz. Sie werden ins Wasser eingelassen und zeichnen die Schallwellen auf, die Fische und andere Lebewesen erzeugen. Da sich Schall unter Wasser ähnlich verhält wie in der Luft, lassen sich die Aufnahmen problemlos hör- und auswertbar machen. |
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Problemstellung: |
Diese Technologie eröffnet zwei zentrale Einsatzfelder, die besonders in Aquakulturen gut einsetzbar sind:
—– In experimentellen Untersuchungen zeigte sich, dass Fische sehr spezifische Geräusche in bestimmten Situationen erzeugen. Beispielsweise geben Lachse beim Fressen charakteristische Klick- und Schnappgeräusche von sich, die sich klar vom Hintergrundrauschen unterscheiden.
Diese akustischen Signale können analysiert und bestimmten Verhaltensmustern zugeordnet werden; zum Beispiel Hunger, Stress oder Zufriedenheit.
Die zentrale Frage lautet also: Wie lässt sich diese akustische Sprache praktisch nutzen? |
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Lösungsansätze/Innovationspotenziale: |
Das Team um Jakob Bergener am »Fraunhofer IDMT« erforscht, wie solche Unterwassergeräusche mithilfe von KI und Mikroelektronik ausgewertet werden können.
Zunächst werden akustische Muster manuell erfasst und markiert. Anschließend wird daraus ein intelligentes KI-Modell trainiert, das automatisch wiederkehrende Geräusche erkennt und interpretiert.
In Kombination mit Videoanalysen lassen sich Ton und Verhalten verknüpfen. So kann die KI z. B. feststellen, wann Fische tatsächlich fressen und wann nicht.
Das hat unmittelbaren praktischen Nutzen: Futtereffizienz ist einer der größten Kostenfaktoren in der Fischzucht. Stimmen die ausgegebenen Futtermengen mit den Schmatzgeräuschen der Tiere überein, kann die Fütterung automatisch optimiert werden. Über die Zeit entsteht so ein datenbasiertes, lernendes System, das Tierwohl und Ressourceneffizienz gleichermaßen verbessert.
Durch den gezielten Einsatz akustischer Sensorik wird die Fischfütterung also präziser, nachhaltiger und kostengünstiger. Dabei bleibt es ganz ohne invasive Eingriffe in die Tierhaltung. |
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Weiterer Forschungs-/Entwicklungsbedarf / Aktuelle Projekte: |
Während solche Analysen in geschlossenen Aquakulturen bereits funktionieren, ist die Anwendung im offenen Meer deutlich komplexer. Dort erschweren Strömungen, Umgebungsgeräusche und wechselnde Umweltbedingungen die akustische Erfassung. Neue Ansätze werden beispielsweise in der Lachszucht in Offshore-Netzen erprobt. Hier ist eine noch kontrolliertere Fütterung entscheidend, um Überdüngung und Algenbildung zu vermeiden, die empfindliche Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen können. Langfristig könnten akustische KI-Systeme sogar frei schwimmende Fischschwärme erfassen und ihr Verhalten in Echtzeit analysieren, ohne sie in ihrem Alltag zu stören. Damit würden Umweltbeobachtung und Fischereiforschung auf eine neue Stufe gehoben: minimal-invasiv, datengestützt und hochpräzise. |
Nachhaltige Aquakulturen – Wie Michael Schlachter vom Fraunhofer IMTE an ganzheitlichen Kreisläufen arbeitet: |
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Situation: |
Aquakulturen gelten heute bereits als effiziente Form der Nahrungsmittelproduktion; doch sie bieten weiterhin großes Verbesserungspotenzial. Viele Systeme funktionieren technisch zuverlässig, stoßen aber an Grenzen, wenn es um Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit geht.
Hier setzt die Arbeit von Michael Schlachter vom »Fraunhofer IMTE« an. Sein Ziel ist es, Aquakulturen Schritt für Schritt ressourcenschonender, energieeffizienter und kreislauforientierter zu gestalten. |
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Problemstellung: |
Zentrale Herausforderungen liegen in der Energieeffizienz und damit, zum Teil einhergehend, auch der Wasseraufbereitung sowie der Schonung natürlicher Ressourcen.
Viele bestehende Systeme arbeiten zwar in Teilbereichen im Kreislauf, sind jedoch nicht vollständig geschlossen. Dadurch gehen wertvolle Ressourcen wie Nährstoffe und Energie verloren.
Ein besonders kritischer Punkt ist beispielsweise die Fischmehlproduktion: Jährlich werden mehrere Millionen Tonnen wild gefangener Fische zu Mehl verarbeitet, um damit andere Fische in Zuchtanlagen zu füttern. Ein schwer verständlicher ökologischer Widerspruch, denn die Abhängigkeit von Fischmehl belastet sowohl die Meere als auch die Nachhaltigkeitsbilanz der Aquakulturindustrie ingesamt erheblich. |
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Lösungsansätze/Innovationspotenziale: |
Um Kreisläufe zu schließen, werden am Fraunhofer IMTE alternative Proteinquellen erforscht. Reststoffe aus anderen Produktionsprozessen können dabei eine zentrale Rolle spielen.
Ein Beispiel sind Proteine aus Raps, die ursprünglich aus der Biodieselproduktion stammen. Anstatt ungenutzt zu bleiben, lassen sich diese pflanzlichen Proteine als Fischfutter weiterverwenden. Ein wichtiger Schritt hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft in Verbindung mit anderen Kreisläufen.
Auch andere nachwachsende Rohstoffe aus Landpflanzen werden untersucht. Ziel ist es, klassische, ressourcenintensive Futtermittel zu ersetzen und zugleich den ökologischen Fußabdruck der Aquakultur deutlich zu verringern. |
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Weiterer Forschungs-/Entwicklungsbedarf / Aktuelle Projekte: |
Allerdings „schmeckt“ Fischen nicht jede pflanzliche Proteinquelle gleichermaßen. Neben dem Nährstoffgehalt spielt somit auch der Geschmack und die Akzeptanz des Futters eine entscheidende Rolle bei der Forschung.
Deshalb wird am Institut bereits intensiv experimentiert, etwa mit Anpassungen der Nahrungszusammensetzung oder der Zugabe spezifischer „Lieblingsnähr- oder Geschmackstoffe“.
Aktuell testet das Fraunhofer IMTE den Einsatz von Mikroalgen, die sowohl nährstoffreich als auch geschmacklich attraktiv für spezifische Fischarten erscheinen.
Langfristig geht es darum, ein ökologisch, wirtschaftlich und biologisch ausgewogenes Futterkonzept zu entwickeln. So können Aquakulturen noch nachhaltiger betrieben werden – mit geringerer Umweltbelastung und besserer Ressourcennutzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. |
Zur fünften Folge der zweiten Staffel – Hightech-Fischzucht (Spotify):
In der nächsten Woche befassen wir uns u. a. damit, wie Mikroelektronik und Robotik dabei hilft, in die tiefsten Tiefen unseres Ozeans vorzudringen.