#Chip Happens-Podcast: Staffel 2, Folge 8 I Mit Robotern und KI: Lebensrettung für Ertrinkende

Große Probleme brauchen häufig ziemlich kleine Helfer. Der Podcast »Chip Happens – Kleine Dinge, die alles verändern« von Chipdesign Germany zeigt, wie Mikroelektronik und Chipdesign dabei helfen können, die drängenden Fragen unserer Zeit anzugehen – jederzeit nachvollziehbar und alltagsnah. Das Format richtet sich an alle, die verstehen wollen, wie Technik im Hintergrund wirkt und dennoch zentrale Weichen stellt. Kluge Köpfe aus der Branche sprechen hierfür mit Moderator Sven Oswald über ihre faszinierenden Geschichten, geben überraschende Einblicke und zeigen hautnah die vielen Möglichkeiten, die unser Fachbereich bietet. Wasser ist Leben. Und Mikroelektronik hilft uns, es zu finden, zu reinigen, zu überwachen und zu bewahren. In Staffel 2 von »Chip Happens«, dem Podcast von Chipdesign Germany, dreht sich alles um das Element Wasser – von der Tiefsee bis ins Weltall.

©Fraunhofer Mikroelektronik

Staffel 2, Folge 8 | Wie Roboter und KI helfen, Menschen vor dem Ertrinken zu retten

In der achten Folge von »Chip Happens« sprechen wir mit Dr. Magnus Heier. Er ist Neurologe und Wissenschaftsjournalist und erklärt, warum ertrinken häufig als »stiller Tod« bezeichnet wird.

Olivier Wiesner, hauptberuflich im Rettungsdienst tätig, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen vor dem Ertrinken zu retten und dafür einen Roboter mitentwickelt. Im Podcast berichtet er, was der »Dolphin 3« leisten kann und wie der Roboter dabei unterstützt, Menschen aus lebensgefährlichen Situationen im Wasser zu retten.

Am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB wird an einem autonomen Rettungsroboter geforscht, der Ertrinkende auch unter Wasser finden und an die Wasseroberfläche bringen kann. Projektleiter Helge Renkewitz gibt uns Einblicke in seine Arbeit und berichtet, welche Potenziale in der Nutzung von KI für die Wasserrettung liegen.

 

 

 

Worum geht es in der Folge?

Olivier Wiesner über einen Roboter, der Menschenleben rettet

Situation:

Laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V. (DLRG) sind im Jahr 2024 mindestens 411 Menschen ertrunken, Tendenz steigend. Gleichzeitig fehlen vielerorts Rettungsschwimmer:innen und Schwimmmeister. Nicht nur Kinder oder Jugendliche ertrinken, weil sie nicht oder zu schlecht schwimmen können. Auch wenn Erwachsene ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen oder unter Drogeneinfluss im Wasser sind, geraten sie in lebensbedrohliche Situationen. Die Frage, wie möglichst viele Menschen vor dem Ertrinken gerettet werden können, ist daher umso wichtiger. Dass das mitunter nicht gelingt, liegt auch daran, dass ertrinken im Gegensatz zur Darstellung in Filmen oder Serien keineswegs laut ist, und daher auch als »stiller Tod« bezeichnet wird.

Problemstellung:

Dr. Magnus Heier ist Neurologe und Wissenschaftsjournalist. Er erklärt, dass die Tatsache, dass Ertrinkende in der Regel weder schreien noch laut auf sich aufmerksam machen können, eine rechtzeitige Rettung deutlich erschwert. Das hat zwei Gründe: Zum einen haben Ertrinkende dazu meistens keine Kraft. Zum anderen gibt es einen sog. Spasmus im Kehlkopf, der verhindert, dass Wasser in die Lunge fließt. In akuter Ertrinkungsgefahr sorgt dieser eigentlich sinnvolle Reflex aber dafür, dass Luft aus der Lunge über die Stimmlippen nicht nach außen kommt. Um Hilfe schreien wird so unmöglich. Es ist daher umso wichtiger, rechtzeitig zu bemerken, sobald Menschen in Lebensgefahr im Wasser geraten, um schnellstmöglich eingreifen zu können. Dabei kann Mikroelektronik einen entscheidenden Beitrag leisten.

Lösungsansätze/Innovationspotenziale:

Olivier Wiesner ist seit über 8 Jahren hauptberuflich Rettungssanitäter und weiß um die Tücken des Ertrinkens und wie schwierig es sein kann, Menschen in Not rechtzeitig zu erreichen. Er hat daher den »Dolphin 3« miterfunden – einen Überwasser-Rettungsroboter. Der funktioniert so:

 

Der Roboter sieht aus wie ein ferngesteuerter Schwimmring im klassischen Design, der beim Einwerfen ins Wasser automatisch aktiviert wird. Über eine Fernbedienung und eine integrierte Videokamera mit Livebild lässt sich das Gerät gezielt zur in Not geratenen Person steuern. Dort bietet der Dolphin 3 als Auftriebskörper sofort Halt, sodass die Person sich daran festhalten kann und nicht untergeht. Anschließend kann die Rettungskraft sie mit dem Schwimmring in seichtes Wasser oder an Land ziehen, wo sie von einem Rettungsteam medizinisch versorgt werden kann. Der Einsatz spart Ressourcen und reduziert Risiken, weil nicht zwangsläufig ein Rettungsschwimmer ins Wasser muss. Denn sobald Helfer:innen ins Wasser gehen, setzen sie sich selbst Gefahren aus. Der Roboter schafft so Distanz und ermöglicht Eigenschutz für die helfenden Personen. Im Gegensatz zu menschlichen Retter:innen ist der Dolphin 3 auch deutlich schneller. Er schafft auf einer Strecke von einem Kilometer eine Geschwindigkeit von bis zu 30km/h.

 

Entwickelt hat Olivier Wiesner den Roboter gemeinsam mit einem Bekannten, der eine Schiffstechnik-Firma besitzt und einem chinesischen Unternehmen, mit dem ein Joint Venture gegründet wurde. Die Einzelteile kommen aus China, zusammengebaut wird der Roboter am Bodensee. Das Gerät wurde speziell an die Regularien in Deutschland bzw. der EU angepasst und ist seit Oktober 2024 auf dem Markt. Aktuell sind 16 Geräte in 13 Bundesländern im Einsatz. In den kommenden Jahren sollen es noch mehr werden. Dabei wurde der Dolphin 3 bewusst als Roboter und nicht als Drohne konzipiert, um rechtliche Probleme zu vermeiden. Aktuell kann der Roboter nur von BOS-Organisationen (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) erworben werden. Er kostet rund 7.000 Euro, kann aber auch gemietet werden.

 

Weiterer Forschungs-/Entwicklungsbedarf / Aktuelle Projekte:

Der Dolphin 3 verfügt zusätzlich über eine eingebaute KI-Funktion und könnte mittels Software auch eigenständig eingesetzt werden. Allerdings ist der Datenschutz in Deutschland hier ein Hemmnis. Seen oder Schwimmbäder sind meist in öffentlicher Hand, das Aufnehmen von Bildern und Videos von Menschen, beispielsweise in Badekleidung, in der Regel verboten. Fraglich ist, wo die Aufnahmen gespeichert werden und wer auf sie Zugriff hat. Eine Lösung zu finden, die Datenschutz und den Einsatz von KI in Einklang bringt, wäre wichtig, um Technologien wie die des Dolphin 3 weiterentwickeln zu können.

 

Aktuell läuft ein Projekt mit dem Rettungsroboter an einem See, der in privatem Besitz ist und somit aus datenschutzrechtlicher Perspektive weniger Probleme macht. Der Besitzer kam auf Wiesner zu, weil er möchte, dass sein See der erste autonom überwachte See in Deutschland wird. Zurzeit wird der See vermessen und ein Plan erstellt, wo wie viele Kameras installiert werden müssen. Die Kameras erfassen Bewegungsabläufe im Wasser, speichern diese intelligent und wenn verdächtige Bewegungen registriert werden, die auf einen Menschen in Not hinweisen, kann der Dolphin 3 zu den entsprechenden Koordinaten losgeschickt werden.

 

Zukünftig soll das System so weiterentwickelt werden, dass es selbstständig einen Notruf auslöst, sobald eine Person in Gefahr erkannt wird.

 

Helge Renkewitz darüber, wie KI dabei helfen kann, Menschen auch unterhalb der Wasseroberfläche zu retten

Situation:

Überwasser-Rettungsroboter wie der Dolphin 3 sind eine große Unterstützung, wenn Menschen gerettet werden müssen, die noch an der Wasseroberfläche sind. Personen, die ertrinken, verschwinden aber schnell unter der Wasseroberfläche, wenn ihre Kraft nachlässt und sie bewusstlos werden. Für Helfer:innen sind sie so noch schwerer zu finden und zu erreichen. Moderne Robotik kann auch hier helfen, wie uns Helge Renkewitz vom Fraunhofer IOSB erklärt.

Problemstellung:

Oft vergeht wertvolle Zeit, bis Personen vor dem Ertrinken gerettet werden können, wenn sie bereits unter die Wasseroberfläche gesunken sind. Erschwerend kommen die Sichtverhältnisse hinzu, die in Seen und anderen Gewässern häufig schlecht sind, und das Finden der Personen noch komplizierter macht.

Lösungsansätze/Innovationspotenziale:

Am Fraunhofer IOSB wurde ein autonomer Rettungsroboter entwickelt, der Ertrinkende auch unter Wasser finden und an die Wasseroberfläche bringen kann. Äußerlich sieht dieser Roboter aus wie ein Kasten, der mit einer Rettungseinrichtung ausgestattet ist, auf die die Ertrinkenden aufgenommen und fixiert werden können. So rutschen sie nicht vom Roboter und können schnellst möglichst an die Oberfläche und zu den Ersthelfer:innen gebracht werden.

 

Darüber hinaus ist der Roboter mit Sensoren ausgestattet, die wie ein Sonargerät arbeiten. Sie ermöglichen das Aufspüren von Objekten oder Personen in einer Entfernung von bis zu 70 Metern. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber der begrenzten Sichtweite des menschlichen Auges, insbesondere bei der Rettung Ertrinkender unter Wasser.

Weiterer Forschungs-/Entwicklungsbedarf / Aktuelle Projekte:

Künftig soll der Roboter dahingehend weiterentwickelt werden, dass er wie eine Art Saugroboter funktioniert. Geparkt in einer Garage soll er immer dann gezielt ausrücken, wenn ein Notfall im Wasser entdeckt wird. Noch ist das Zukunftsmusik und erst in 5 Prozent aller Bäder kommen solche KI-Systeme bisher zum Einsatz. Dass das Leben retten kann, zeigt ein Beispiel aus diesem Jahr: Ein vierjähriges Mädchen war in einem Schwimmbad in Münster unbemerkt in Not geraten und schon unter der Wasseroberfläche verschwunden. Dank der im Schwimmbad eingesetzten KI konnte das Mädchen aber rechtzeitig gefunden und gerettet werden, denn nachdem verdächtige Bewegungen im Wasser von Kameras registriert wurden, bekam der Schwimmmeister einen Alarm auf seine Smartwatch mit dem exakten Standort des Mädchens.

Zur achten Folge der zweiten Staffel – (Spotify):

In der nächsten Folge beschäftigen wir uns damit, wie Wasser zur Energieerzeugung und Speicherung grüner Energie genutzt werden kann.