27.05.2025 News Interviews

APECS | Europa als unverzichtbarer Partner der globalen Technologiebranche

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Im Interview: Dr. Stephan Guttowski – Leiter der FMD-Geschäftsstelle

Im Interview mit dem Fraunhofer IAF spricht Dr. Stephan Guttowski, Geschäftsstellenleiter der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD), über die Ziele, Herausforderungen sowie technischen und politischen Hintergründe der APECS-Pilotlinie. Das Interview stammt aus dem Fraunhofer IAF-Jahresbericht 2024/25 »Transfer for Industry«.

Worin bestehen aktuell und in absehbarer Zukunft die größten Herausforderungen für die europäische Halbleiterindustrie?

Europa verfügt über ein dynamisches Ökosystem aus führenden Unternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen sowie Start-ups, deren Wettbewerbsvorteil auf fortschrittlichen Halbleiterlösungen beruht. Diesen Unternehmen fehlt aber oft der Zugang zu fortschrittlichen Technologien mit den zugehörigen Design- und Testkompetenzen, da die Ressourcen in Europa begrenzt sind. Unsere europäische Halbleiterindustrie steht also vor einigen großen Herausforderungen in der kommenden Zeit. Eine der drängendsten ist die starke Abhängigkeit von globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten, insbesondere aus Asien und den USA, was die Resilienz der gesamten Halbleiterbranche extrem gefährdet. Zudem steigt auch der weltweite Wettbewerb um Technologieführerschaft, während gleichzeitig aber der stetig wachsende Fachkräftemangel in Europa die Innovationskraft hemmt. Hohe Investitionskosten für moderne Fertigungstechnologien und -anlagen sowie der wachsende Bedarf an energieeffizienten und leistungsstarken Chips stellen weitere Hürden dar.

Wie können Forschung und Entwicklung der Industrie helfen, diese Herausforderungen zu meistern?

Forschung und Entwicklung (F&E) spielen eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des europäischen Halbleitermarkts. Durch die Entwicklung neuer Materialien, energieeffizienter Chipdesigns und innovativer Fertigungsprozesse können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und technologische Resilienz ausbauen. Fortschritte in der Mikroelektronik ermöglichen leistungsfähigere und kosteneffizientere Lösungen und Innovationen in Schlüsselbranchen wie Künstliche Intelligenz, Mobilität, Produktion, Informations- und Kommunikationstechnologien, vertrauenswürdige und ökologisch nachhaltige Elektronik sowie neuromorphes- und Quantencomputing. Zudem können gezielte F&E-Initiativen den Technologietransfer beschleunigen und die Lücke zwischen wissenschaftlicher Arbeit und industrieller Anwendung schließen.

Wie schätzen Sie den Beitrag des EU Chips Act und der APECS-Pilotlinie ein?

Die Europäische Kommission investiert im Rahmen des European Chips Acts erhebliche Mittel in die Stärkung der Halbleitertechnologien. Ziel ist es, Europas technologische Resilienz zu erhöhen, Lieferketten zu sichern und Innovationen in Schlüsselbranchen voranzutreiben.

©Fraunhofer Mikroelektronik

Die Pilotlinie für APECS, als eine von derzeit fünf Pilotlinien im Rahmen des EU Chips Acts, ist dabei ein wichtiger Baustein. Sie fördert innovative Ansätze für Heterointegration und fortschrittliche Packaging-Technologien, um Chiplet-Innovationen voranzutreiben und so die Forschungs- und Fertigungskapazitäten in Europa zu erhöhen. Dadurch lassen sich neue Systemintegrationstechnologien schneller in industrielle Anwendungen überführen, die Abhängigkeit von globalen Lieferketten reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen steigern.

APECS wird von der FMD implementiert. Worin bestehen die größten Herausforderungen?

Eine der größten Herausforderungen besteht in der nahtlosen Integration verschiedener Technologien und Prozesse, um innovative Packaging-Lösungen zu ermöglichen, die hohe Anforderungen an die Koordination stellen. Zudem dürfen sich zehn Partner aus acht europäischen Ländern eng abstimmen, um ihre Synergien optimal nutzen zu können – allein in Deutschland sind 14 FMD-Institute beteiligt! Weitere Herausforderungen betreffen den niederschwelligen Zugang zu den Angeboten der Pilotlinie, die Verfügbarkeit von Designkompetenzen, die Skalierbarkeit neuer Technologien und ihrer Charakterisierung, den Transfer in industrielle Anwendungen und die Sicherstellung der langfristigen Wirtschaftlichkeit der entwickelten Lösungen.

Was macht den Ansatz der heterogenen Integration so innovativ?

Die Mikroelektronikforschung und -entwicklung ist das Herzstück der aktuellen technologischen (R)Evolutionen, die von Künstlicher Intelligenz und Hochleistungsrechnen über moderne Verteidigungssysteme bis hin zu Robotik, Leistungselektronik, drahtloser Kommunikation, E Health, Quantentechnologien und mehr reichen. Solche zukünftigen elektronischen Systeme werden immer mehr Funktionen erfordern, die nicht von einem einzigen Chip geleistet werden können, selbst wenn fortschrittliche sogenannte System-on-Chip-(SoC-)Konzepte verwendet werden. Heterointegration bedeutet also die Kombination verschiedener Halbleitermaterialien und Technologien in einem einzigen System, wodurch kompaktere, leistungsfähigere und energieeffizientere Systeme entstehen.

 

Vorteile sind eine höhere Leistungsdichte, reduzierte Latenzzeiten und eine verbesserte Energieeffizienz. Heterointegration wird über die aktuellen System-in-Package-Ansätze (SiP) hinausgehen und ist für elektronische Systeme und Geräte der nächsten Generation, die auf zukünftigen CMOS-Knoten (komplementäre Metall-Oxid-Halbleiter), Siliziumgermanium, Siliziumcarbid, III-V-Halbleitern wie Galliumarsenid oder Galliumnitrid und allen verschiedenen Arten von mikroelektromechanischen Systemen (MEMS) basieren, von entscheidender Bedeutung. Herausforderungen bestehen jedoch in der komplexen Fertigung, den höheren Kosten und der Notwendigkeit neuer Design und Testmethoden, um die Zuverlässigkeit der integrierten Systeme zu gewährleisten.

Welche Bedeutung hat der Transfer von Entwicklungsergebnissen aus der APECS-Pilotlinie in die industrielle Anwendung?

Der Transfer von Forschungsergebnissen in die Industrie ist entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von APECS. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, Bildung und Industrie können innovative Technologien schneller zur Marktreife gebracht werden. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen und sichert langfristig die technologische Resilienz. Zudem ermöglicht der Transfer die Skalierung neuer Fertigungsprozesse und trägt zur Schaffung neuer Wertschöpfungsketten in Europa bei.

 

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Im Rahmen der APECS-Pilotlinie wird in den kommenden Jahren die Europäische Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur für Halbleitertechnologien und -anwendungen weiter ausgebaut.

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