04.11.2025 News Interviews

Moderne Halbleiterprozesse im Fokus | Über Beschichtungen und Aktivierungsprozesse für Wide-Bandgap-Materialien

©Adobe Stock | Vitte Yevhen

Im Interview: Dr. Ina Ostermay vom Leibniz FBH

Halbleiter sind die Bausteine moderner Technologie. Doch welche Prozessschritte sind nötig, um aus Materialien leistungsstarke Bauelemente zu fertigen? Im Interview gibt Dr. Ina Ostermay vom Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) spannende Einblicke in ihre Arbeit mit hochmodernen Beschichtungstechnologien. Sie erklärt, wie zwei Hochtemperaturanlagen, darunter eine PECVD (Plasma Enhanced Chemical Vapor Deposition) und eine RTA (Rapid Thermal Annealing), Prozesse ermöglichen, die sowohl die Qualität als auch die Leistungsfähigkeit von Wide-Bandgap-Halbleitermaterialien verbessern.

Frau Dr. Ostermay, Sie arbeiten am Leibniz FBH als Wissenschaftlerin in der Prozesstechnologie. Welche Aufgabenbereiche umfasst Ihre Arbeit?

Unsere Abteilung betreibt die Reinräume des Instituts. Dort prozessieren wir die nackten Wafer bis hin zu vollständig strukturierten Bauelementen, wie sie später im Haus weiterverarbeitet werden. Ich selbst bin Gruppenleiterin für den Bereich Beschichtungstechnologien. Das bedeutet, ich beschäftige mich mit der Abscheidung metallischer und isolierender Schichten auf den Wafern. Zusätzlich betreue ich den Bereich der thermischen Behandlung – sogenannte Annealing-Prozesse, bei denen Wafer bei hohen Temperaturen ausgeheizt werden, um Kontakte zu formieren.

 

Grundsätzlich ist meine Arbeit sehr vielseitig. Es gibt in fast jedem Projekt Schnittstellen zur Beschichtungstechnologie, etwa wenn neue Herausforderungen auftauchen oder technische Probleme gelöst werden müssen. Das gehört zu meinem Tagesgeschäft. Ich bin auch regelmäßig beteiligt, wenn neue Projekte initiiert werden und mein Fachgebiet eine Rolle spielt. Dann unterstütze ich direkt von Anfang an mit meiner Expertise. Darüber hinaus verfolge ich auch eigene Forschungsprojekte – zum Beispiel im Bereich Hochtemperatur-Annealing, um Materialeigenschaften in unserem Sinne zu beeinflussen. Diese Arbeiten liefern oft wichtige Beiträge für andere Projektgruppen im Haus. Dazu zählen u. a. Entwicklungen im Bereich der Galliumnitrid-Elektronik, die dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der Bauelemente weiter zu steigern.

 

Aktuell betreue ich zudem einen Doktoranden, der an verspannten Siliziumnitrid-Schichten arbeitet. Auch das ist Teil unserer eigenen Forschungsaktivitäten innerhalb der Gruppe.

Wie lässt sich Ihre Arbeit innerhalb des gesamten Halbleiterherstellungsprozesses einordnen – zum Beispiel im Vergleich zu Galvanik oder Implantation?

Meine Prozesse kommen an mehreren Stellen innerhalb des gesamten Fertigungsprozesses zum Einsatz. Damit z. B. überhaupt galvanisch abgeschieden werden kann, braucht man sogenannte Seedlayer – Startschichten, dank derer die Galvanik arbeiten kann. Diese Schichten bringt meine Arbeitsgruppe auf die Wafer auf.

 

Auch bei der Ionenimplantation spielt unser Bereich eine Rolle. Meistens werden Schutz- oder Streuschichten benötigt, durch die hindurch implantiert wird. Solche Schichten kommen ebenfalls aus unserer Gruppe. Nach der Implantation folgt das sogenannte Aktivieren der eingebrachten Ionen. Dabei wird das Kristallgitter wiederhergestellt. Das geschieht durch thermische Prozesse, also Annealing, für die ich ebenfalls zuständig bin.

 

Man kann also sagen: Meine Arbeit ist immer dann gefragt, wenn es um eine Form der Beschichtung geht – und davon gibt es im Verlauf der Bauelementherstellung einige.

Wie kann man sich einen typischen Beschichtungsprozess vorstellen?

Ein Beschichtungsprozess setzt meistens voraus, dass vorher eine Lithographie erfolgt ist. Die Wafer kommen also mit einer vorstrukturierten Lackmaske zu uns und wir bauen sie direkt in unsere Anlagen ein. Diese Anlagen sind im Grunde große Vakuumreaktoren. Das Vakuum ist nötig, weil viele Beschichtungsprozesse nur unter diesen Bedingungen optimal ablaufen. Entsprechend wird viel Pumptechnik eingesetzt und oft auch Sichtfenster genutzt, durch die man den Prozess beobachten kann. Es gibt viele unterschiedliche Varianten, abhängig vom Verfahren und vom gewünschten Schichttyp – ob Elektronenstrahlbedampfen, DC- oder RF-Sputtern, Atomlagenabscheidung oder PECVD, um nur einige zu nennen.

 

Einige Verfahren benötigen zusätzliche Unterstützung. Während der Beschichtung brennt dann ein leuchtendes Plasma, das man je nach Gaszusammensetzung als rosa oder violett wahrnimmt. Das sieht nicht nur beeindruckend aus, sondern ist auch ein Zeichen für bestimmte physikalische Vorgänge, die während der Schichtabscheidung ablaufen.

Lassen Sie uns einen Blick auf diese Anlagen werfen. Was für Maschinen sind das genau?

Ich selbst beschäftige mich vor allem mit den im Rahmen der FMD neu beschafften Anlagen. Dort arbeiten wir an Prozessen, die oft technologisches Neuland sind – also Verfahren, die so vorher noch niemand durchgeführt hat. Gerade wenn Kolleg:innen mit sehr speziellen Anforderungen kommen, bei denen der Ausgang des Experiments noch völlig offen ist, bin ich direkt eingebunden. Das sind dann genau die Fälle, in denen wir gemeinsam überlegen müssen: Wie kann das prozesstechnisch überhaupt umgesetzt werden? Und was passiert da eigentlich genau? Deshalb ist es mir auch wichtig, selbst mit im Reinraum zu stehen. Nicht nur, um Prozesse zu begleiten, sondern auch, um mir die Wafer oder Proben mit meinen Kolleg:innen gemeinsam anzuschauen. Vier Augen entdecken einfach mehr.

 

Ich beschäftige mich also vor allem mit den Qualifikationen neuer Maschinen, mit neuen Prozesskonzepten und Technologien, die wir gerade erst in die Infrastruktur eingebracht haben. Und genau das macht es für mich so spannend.

Können Sie ein konkretes Beispiel für eine solche Maschine geben?

Ein konkretes Beispiel für eine unserer Maschinen ist die PECVD-Anlage. Mit dieser bringen wir Siliziumnitrid-Schichten auf Wafer auf, also isolierende Schichten, die in der Halbleiterfertigung zur Passivierung genutzt werden.

 

In der klassischen Siliziumindustrie geschieht das meist über rein thermische Verfahren bei sehr hohen Temperaturen von ca. 750 bis 800 Grad. Damit lassen sich exzellente Materialeigenschaften erzielen. Das Problem ist: Viele Materialien, insbesondere aus der III-V-Halbleitertechnologie wie etwa Galliumarsenid, vertragen solche Temperaturen nicht. Sie zersetzen sich zum Teil schon bei 600 Grad. Deshalb haben sich in der Technologie für Verbindungshalbleiter Niedrigtemperatur-Plasmaverfahren etabliert, bei denen man typischerweise mit etwa 300 Grad arbeitet. Diese Verfahren sind materialschonend, die Qualität der abgeschiedenen Schichten ist jedoch deutlich geringer.

 

Mit der Anlage, die wir im Rahmen des Aufbaus der FMD beschafft haben, schließen wir genau diese Lücke. Die Maschine ist eine Anlage, die Plasmaprozesse bei sehr hohen Temperaturen (bis zu 800 Grad) ermöglicht, die für thermisch stabile Materialien wie Galliumnitrid ideal geeignet sind. Das heißt, wir kombinieren den thermischen Prozess, den man aus der Siliziumindustrie kennt, mit einer Plasmaabscheidung, wie sie in der III-V-Halbleitertechnologie etabliert ist. Unsere Anlage verbindet beide Verfahren – je nach Anforderung. Damit können wir jetzt hochwertige, dichte und spannungsreiche Siliziumnitrid-Schichten erzeugen, die eine deutlich bessere Passivierungsqualität bieten als bisher möglich.

Was genau bedeutet bessere Passivierung? Warum ist das so besonders?

Passivierung meint in unserem Kontext, dass die Oberfläche eines Bauelements durch eine Schutzschicht abgedeckt wird, um sie elektrisch zu isolieren und gleichzeitig vor Umwelteinflüssen zu schützen. Mit der neuen Anlage entstehen extrem dichte und verunreinigungsarme Schichten. Die Anlage ermöglicht also deutlich robustere und langlebigere Bauelemente.

Die Plasmaabscheidungen bei so hohen Temperaturen durchführen zu können, ist wirklich eine technologische Besonderheit. Ich kenne zumindest niemanden, der das genauso betreibt.

Und wie wird diese neue Technik aktuell eingesetzt?

Ein Doktorand in meiner Gruppe arbeitet zurzeit intensiv mit dieser Anlage. Er bringt die neuen Hochtemperatur-Schichten in Galliumnitrid-basierte Bauelemente ein, was technologisch sehr anspruchsvoll ist. Er stellt dabei die Verspannung der Passivierungsschichten gezielt ein und ist so in der Lage, Transistoreigenschaften wie z. B. die Schwellspannung direkt zu beeinflussen. Er hat bereits erste Ergebnisse vorgestellt, die sehr vielversprechend aussehen.

Solche Projekte zeigen, wie wichtig es ist, dass wir nicht nur bestehende Prozesse bedienen, sondern auch neue Ansätze entwickeln – mit Geräten, die es so in kaum einem anderen Reinraum gibt.

Nachdem wir ausführlich über die Besonderheiten der Hochtemperatur-PECVD-Anlage gesprochen haben, wollen wir jetzt eine weitere wichtige Spezialmaschine betrachten: die RTA. Können Sie uns erklären, was das für eine Maschine ist und welche besonderen Anforderungen sie erfüllt?

Die Hochtemperatur-RTA ist eine Anlage, mit der wir Proben sehr schnell thermisch aufheizen können, denn RTA steht für »Rapid Thermal Annealing«. Das ist gerade bei unseren III-V-Halbleitern, speziell den sogenannten Wide-Bandgap-Materialien wie Galliumnitrid (GaN), sehr wichtig. Diese Materialien haben viele Vorteile, sind aber technisch anspruchsvoll zu bearbeiten.

Dr. Ina Ostermay arbeitet am Leibniz FBH als Wissenschaftlerin in der Prozesstechnologie
©Fraunhofer Mikroelektronik

Eingesetzt wird die RTA direkt nach der Ionenimplantation, also in einem sehr frühen Prozessschritt. Nach der Implantation müssen die eingebrachten Dotanden – also die Ionen, die bestimmte elektrische Eigenschaften erzeugen sollen – aktiviert werden. Und das gelingt nur durch hohe Temperaturen. Bei Wide-Bandgap-Materialien wie GaN braucht es dafür allerdings höhere Temperaturen als herkömmliche RTA-Anlagen erreichen.

Mal als Vergleich: Für die Aktivierung von Magnesium, das wir in Galliumnitrid implantieren, sind Temperaturen von über 1300 Grad notwendig. Klassische RTA-Anlagen, wie man sie etwa aus der Siliziumindustrie kennt, schaffen meist nur 1100 bis 1250 Grad. Unsere Anlage wurde daher speziell für uns entwickelt und erreicht Temperaturen bis zu 1600 Grad. Das ist eine ganz besondere technologische Möglichkeit, die nur wenige Einrichtungen aktuell anbieten können.

Können Sie den Fertigungsprozess einmal skizzieren und dabei einordnen, an welchen Stellen die RTA-Anlage im Vergleich zur PECVD-Anlage typischerweise zum Einsatz kommt?

Ganz am Anfang steht meistens eine Passivierung, bei der die Wafer mit einer hochwertigen Siliziumnitrid-Schicht versehen werden. Dafür nutzen wir die PECVD-Anlage. Es folgen Prozessschritte, bei denen die Passivierung gegebenenfalls von den aktiven Gebieten durch Plasmaätzen wieder entfernt wird. Durch lithografische Prozesse, also Lackmasken, werden außerdem Gebiete definiert, in denen die Leitfähigkeit gezielt verändert werden soll. Dort folgt u. a. die Ionenimplantation, also das gezielte Einbringen von Dotierstoffen ins Material. Diese Dotanden werden durch das Ausheizen mit der Hochtemperatur-RTA elektrisch wirksam. Wichtig ist, dass dieser Hochtemperaturprozess möglichst früh erfolgt, bevor empfindliche Schichten oder Kontakte auf dem Wafer sind. Anschließend eingesetzte Materialien würden die extremen Temperaturen nicht überstehen.

 

Deutlich später im Prozess, wenn bereits viele andere Bearbeitungsschritte abgeschlossen sind, kommen dann unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, mit denen Metallkontakte aufgebracht werden. Zum einen nutzen wir unsere Elektronenstrahlbedampfungsanlage, mit der wir dünne Metallschichten schnell und schonend auf die Wafer aufbringen. Zum anderen wird in weiteren Prozessschritten die Galvanik eingesetzt, bei der durch elektrochemische Verfahren Metall auf der Oberfläche abgeschieden wird. Beide Verfahren sind hochsensibel und erfordern sehr saubere und gut vorbereitete Oberflächen, die durch die vorherigen Prozessschritte geschaffen wurden.

Welche Möglichkeiten bieten Sie der Industrie, um von den Technologien zu profitieren?

Industriekunden können z. B. unsere RTA-Anlage für eigene Prozessschritte nutzen. Sie können Wafer mitbringen, die bereits implantiert wurden, und wir führen dann das Rapid Thermal Annealing bei uns durch. Dieser Prozess kann auch als eigenständiger Schritt genutzt werden, sodass Kooperationspartner nicht die gesamte Fertigung bei uns durchlaufen müssen, um von der Technologie zu profitieren.

Lassen Sie uns noch einen Blick auf das Thema Ressourceneffizienz werfen. Wie nachhaltig ist so eine Hochtemperaturanlage wie die RTA im Betrieb?

Der Betrieb eines Reinraums ist per se energieintensiv – mit jeder Menge Hochleistungsanlagen, Lüftung und Klimatechnik. So benötigt unsere Hochtemperatur-RTA-Anlage, die bis zu 1600 Grad erreicht, eine Anschlussleistung von rund 150 Kilowatt. Die Prozesse sind sehr spezialisiert und werden nur dann angewendet, wenn es wirklich notwendig ist. Ein Wafer durchläuft diesen Schritt also nicht mehrfach. Natürlich gibt es energietechnische Aspekte, die wir berücksichtigen. Die RTA benötigt – wie viele andere Anlagen auch – eine Vakuumpumpe, um Prozessgase abzutransportieren. Hier verwenden wir moderne, stromsparende Pumpmodelle, um den Energieverbrauch so gering wie möglich zu halten.

 

Außerdem betreiben wir einen hohen Aufwand, um sicherzustellen, dass durch unsere Prozesse keine schädlichen Stoffe in die Umwelt gelangen. Nachhaltigkeit bedeutet für uns, möglichst schonend mit Ressourcen und Emissionen umzugehen. Aber natürlich gilt: Wenn man Temperaturen von 1600 Grad erreichen möchte, braucht man dafür die entsprechende Energie. Ideal wäre natürlich, wenn diese aus erneuerbaren Quellen, etwa einem nahegelegenen Windpark, stammen würde. Aber das haben wir selbst nicht in der Hand.

Wie lange arbeiten Sie schon an diesen Maschinen bzw. an dem Thema?

Ich beschäftige mich schon seit 2013 mit dem Bereich der Beschichtungstechnologie. Seit etwa fünf Jahren arbeite ich besonders intensiv an der Dotanden-Aktivierung für Wide-Bandgap-Materialien mit unserer Hochtemperatur-RTA-Anlage. Da begann die Arbeit tatsächlich schon vor der Inbetriebnahme der Anlage – mit Demonstrationen und Gesprächen mit Fachkolleg:innen. Die Anlage selbst wurde 2021 in Betrieb genommen und seitdem arbeite ich mit meinem Team regelmäßig daran.

Wenn man so oft mit einer Anlage arbeitet, kennt man Prozesse und Abläufe vermutlich in- und auswendig.

Schon. Dennoch gibt es auch immer Neues zu erforschen. Ich würde z. B. gern noch mehr Zeit in die Optimierung dieser Prozesse investieren. Die Anlage bietet viele Möglichkeiten, insbesondere bei der Steuerung der Temperatur und der Auswahl geeigneter Prozessgase. Standardmäßig arbeiten wir mit Stickstoff, was gerade im Galliumnitrid-System sehr sinnvoll ist. Die Anlage kann aber auch mit anderen Gasen genutzt werden, etwa Formiergas, also einer Mischung aus Wasserstoff und Argon, oder reines Argon. Diese Varianten haben wir bisher nur selten eingesetzt, aber sie bieten spannende Optionen, die ich gerne noch weiter testen würde.

Das klingt nach einigen Herausforderungen, aber auch nach Abwechslung. Gibt es in Ihrer Arbeit bestimmte Momente, auf die Sie sich immer besonders freuen?

Besonders schön sind die Tage, an denen wir im Team eine komplexe Herausforderung lösen konnten, insbesondere bei neuartigen Prozessen oder wenn sich durch kleine Optimierungen ein deutlicher Fortschritt zeigt. Dann geht man abends mit einem richtig guten Gefühl nach Hause. Ich bin grundsätzlich einfach gern im Reinraum, direkt an den Anlagen und Proben, auch wenn das mein Schreibtisch nicht immer zulässt.

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