#Chip Happens Podcast: Folge 2 | Daten als Treibstoff – Von Netzen, Rechenzentren und Datenhunger

Große Probleme brauchen häufig ziemlich kleine Helfer. Der Podcast »Chip Happens – Kleine Dinge, die alles verändern« von Chipdesign Germany zeigt, wie Mikroelektronik und Chipdesign dabei helfen können, die drängenden Fragen unserer Zeit anzugehen – jederzeit nachvollziehbar und alltagsnah.
Das Format richtet sich an alle, die verstehen wollen, wie Technik im Hintergrund wirkt und dennoch zentrale Weichen stellt. Kluge Köpfe aus der Branche sprechen hierfür mit Moderator Sven Oswald über ihre faszinierenden Geschichten, geben überraschende Einblicke und zeigen hautnah die vielen Möglichkeiten, die unser Fachbereich bietet.

In der ersten Staffel »Klimacooldown« erfahrt ihr, wie Mikroelektronik uns im Kampf gegen den Klimawandel unterstützt. Hierfür starten wir ganz weit oben, mit einem Blick auf unseren Planeten aus dem Weltall, um anschließend noch mehr über Klima und Wetter, Daten und Rechenzentren oder Mobilität und Klimaschutz zuhause zu erfahren. Wir freuen uns sehr, dieses besondere Projekt als Partner zu begleiten.

©Chipdesign Germany

Folge 2: Den Daten auf der Spur – Von Rechenzentren zu neuromorphen Chips

Wir verfolgen die im All generierten Daten bis zur Erde und tauchen ein in die faszinierende Welt der Rechenzentren – das unsichtbare Rückgrat unserer digitalisierten Welt. Dr. Béla Waldhauser, CEO von Telehouse und Sprecher der eco Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland, erklärt, warum Rechenzentren nicht nur unseren Alltag prägen, sondern auch Schlüssel zur Datensouveränität sind.

Wie nachhaltig sind Rechenzentren? Murat Kretschmer von der GASAG Solution Plus gibt Einblicke in Energieeffizienz und Abwärmenutzung.

Professor Christian Mayr (TU Dresden/SpiNNcloud) forscht an neuromorphen Chips, die nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns arbeiten. Diese Technologie hat das Potenzial, den Energieverbrauch von KI-Rechenzentren signifikant zu senken.

Zur Folge 2 – Daten und Rechenzentren (Spotify)

Worum geht es in der Folge?

Rechenzentren als Rückgrat der digitalen Infrastruktur – Wie Mikroelektronik Rechenzentren effizienter und leistungsfähiger macht

Situation:

In der zweiten Folge unseres Podcasts geht es um einen entscheidenden Baustein unserer digitalen Gesellschaft: die Rechenzentren. Die Episode setzt die Datenreise aus Folge 1 fort, von Satelliten bis zur Datenverarbeitung in Rechenzentren. Diese sind das Herzstück der digitalen Infrastruktur und ohne sie wären Cloud-Dienste, Künstliche Intelligenz, Online-Banking und weitere digitale Services nicht möglich.

 

Dr. Béla Waldhauser (CEO des Rechenzentrumsbetreibers Telehouse und Sprecher der eco-Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland) erklärt die drei Säulen der digitalen Infrastruktur: Breitbandzugang über Glasfaser oder 5G, Internet-Schaltknoten und Rechenzentren. Letztere stehen im Zentrum dieser Episode.

 

In Deutschland steigt der Bedarf an Rechenzentren rapide. Bereits heute gibt es rund 50.000 Rechenzentren im Land. Der Trend geht laut Dr. Béla Waldhauser klar in Richtung Zentralisierung und Effizienz geht. Kleine, firmeninterne Einrichtungen werden zunehmend durch große, gemeinschaftlich genutzte Zentren ersetzt, die Skaleneffekte und Ressourcenbündelung ermöglichen.

Problemstellung:

Mit dem Ausbau der Digitalisierung wachsen Anforderungen an Datenschutz und -souveränität, insbesondere durch die DSGVO (Datenschutzgrundverordnung). Das erhöht die Nachfrage nach leistungsfähigen und sicheren Rechenzentren, die Daten zuverlässig und lokal (innerhalb Deutschlands) speichern können.

 

Dabei stellt der gesteigerte Energiebedarf und die erhöhte Umweltbelastung eine große Herausforderung dar. Im Jahr 2024 verbrauchten Rechenzentren in Deutschland 20 Milliarden Kilowattstunden Strom – eine Zahl, die sich laut Prognosen bis 2030 verdoppeln wird. Dieser Energiehunger belastet sowohl die Umwelt als auch die Versorgungsnetze.

 

Hinzu kommen hohe Baukosten und lange Planungszeiten bei modernen Rechenzentren. Der Bau eines neuen Rechenzentrums dauert oft Jahre und kostet schnell über 200 Millionen Euro. Neben der Stromversorgung ist dabei auch die Wärmeabfuhr ein wachsendes Problem.

 

Server erzeugen enorme Mengen Abwärme, die in vielen Fällen ungenutzt verpufft, obwohl diese Abwärme ein enormes Potenzial für effiziente Energieweiternutzung birgt.

 

Lösungsansatz (aus der Mikroelektronik):

Wie können wir den stetig wachsenden Energiebedarf von Rechenzentren nachhaltig decken? Die Antwort liegt in innovativer Mikroelektronik. In Rechenzentren arbeiten nicht nur klassische Prozessoren, welche die Hauptrechenleistung übernehmen, sondern auch ein ganzes Ökosystem von spezialisierten Chips. Diese übernehmen kritische Aufgaben wie die Steuerung und Sicherung der Stromversorgung, die Überwachung der Systeme und weitere kritische Funktionalitäten. Eine zentrale Anforderung an moderne Mikroelektronik ist ihre inhärente Energieeffizienz sowie die Befähigung zu gesteigerter Energieeffizienz durch die Steuerung optimierender Lösungen im Rechenzentrum. Kurz gesagt, Chips müssen höhere Leistung bei reduziertem Energieverbrauch ermöglichen.

 

Einen vielversprechenden Ansatz verfolgt Prof. Dr. Christian Mayr von der TU Dresden, der auch Mitgründer der SpiNNcloud Systems GmbH ist. Durch den Einsatz effizienter Rechentechnologien arbeitet das Unternehmen an einem innovativen Ansatz zur Senkung des Energiebedarfs im Computing. Prof. Dr. Christian Mayr und sein Team entwickeln neuartige Computersysteme, die sich an der Funktionsweise des Gehirns von Säugetieren orientieren. Während unser Gehirn mit vergleichsweise langsamen 100-1000 Megahertz arbeitet, erreicht es durch Milliarden parallel arbeitender Neuronen eine beeindruckende Rechenleistung bei minimalem Energieverbrauch. Im Gegensatz dazu verfügen selbst heutige Supercomputer lediglich über einige Hunderttausend parallele Recheneinheiten.

 

Die große Herausforderung besteht nun darin, diese massive Parallelität auch in technische Systeme zu übertragen. Während das Gehirn Informationen asynchron verarbeitet – also ohne zentrale Taktung – sind moderne Computerarchitekturen bislang stark auf synchrone Steuerung angewiesen. Diese technische Asynchronität effizient zu meistern, ist ein entscheidender Schritt, um Computer nicht nur leistungsfähiger, sondern auch energieeffizienter zu machen.

 

Die Fähigkeit des Gehirns, einzelne Neuronen auf spezifische Aufgaben zu spezialisieren, ist ein ideales Prinzip für die Architektur künftiger KI-Chips.

 

Die SpiNNcloud Systems GmbH von Prof. Dr. Christian Mayr hat einen Prototypen namens »Spinecker 2« entwickelt, der diese biologischen Prinzipien in die Technik überträgt. Die Architektur des Systems basiert auf einer ganzheitlichen Taktung, nutzt kleine, effiziente Datenpakete zur Kommunikation und erlaubt es, Rechenkerne je nach Bedarf dynamisch hoch- oder herunterzufahren. Diese Methoden, die teils bereits in der Mobilfunktechnik im Einsatz sind, werden mit diesem System erstmals auf den Bereich des Supercomputings angewendet. Ziel ist es, eine Vielzahl paralleler Recheneinheiten effizient zu koordinieren und gleichzeitig den Energiebedarf drastisch zu senken.

 

Good to know: Im Rahmen des FMD-Projekts »FMD-QNC« zu Quanten- und Neuromorphem Computing befasst sich die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland mit Fragestellungen zu neuen, besonders effizienten Rechenarchitekturen.

Weiterer Forschungs-/Entwicklungsbedarf / Aktuelle Projekte und Beispiele:

Rechenzentren entwickeln immer ausgefeiltere Strategien, um sowohl Sicherheit als auch Nachhaltigkeit zu verbessern.

 

Im Podcast wird das Rechenzentrum Berlin-2 des Unternehmens NTT vorgestellt. Beim sogenannten Housing-Konzept mieten große Kunden wie Cloudanbieter oder Behörden zwar die Infrastruktur, stellen aber ihre eigene Hardware bereit. Das Rechenzentrum kümmert sich dabei um die zentrale Versorgung mit Strom, Kühlung und Sicherheitssystemen – alles gesteuert durch energieoptimierende Mikroelektronik.

 

Ein Vorreiter in Sachen nachhaltige Nutzung von Abwärme ist das Rechenzentrum von Telehouse in Frankfurt. Seine Abwärme heizt das benachbarte Wohnquartier »franky« mit 1.300 Wohnungen. Diese Form der Wärmerückgewinnung ist kein Einzelfall, sondern gesetzlich vorgeschrieben. Neue Rechenzentren in Deutschland müssen einen sogenannten PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) von 1,2 oder besser erreichen.

 

Der PUE-Wert zeigt das Verhältnis zwischen dem gesamten Energieverbrauch eines Rechenzentrums und dem Anteil, der direkt für Rechenleistung verwendet wird, auf. Ein PUE von 1,2 bedeutet, dass für jede Kilowattstunde, die für die IT genutzt wird, nur 0,2 zusätzliche Kilowattstunden für Infrastruktur wie Kühlung, Stromwandler oder Sicherheitstechnik verbraucht werden dürfen. Je niedriger der PUE-Wert, desto effizienter und umweltschonender arbeitet ein Rechenzentrum. Gleichzeitig sind neue Anlagen verpflichtet, ihre Abwärme nutzbar zu machen.

 

Murat Kretschmer, Senior Marketing Manager B2B der Berliner GASAG, erläutert im Gespräch mit Moderator Sven Oswald die Vorteile der Rechenzentrums-Abwärme für städtische Wärmeversorgung. Die Abwärme entsteht kontinuierlich, unabhängig von der Jahreszeit, und kann eine verlässliche Energiequelle für Nah- und Fernwärmenetze sein. Die Herausforderung besteht darin, die Wärme über möglichst kurze Strecken zu den Verbrauchern zu transportieren. Deshalb plädiert die GASAG für den Bau zusätzlicher Rechenzentren im urbanen Raum, wo die Wärme sofort und lokal genutzt werden kann – ein konkreter, wirksamer Beitrag zur Energiewende vor Ort.


In der kommenden Folge freuen wir uns schon auf das Thema »Klima und Wetter«.

Hierfür spricht Sven Oswald mit Karsten Brandt von Donnerwetter.de u.a. darüber, wie ein Klima-/ bzw. Wettermodell mit KI funktioniert.

Der zweite Gast ist Matthias Winkler vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP: Er spricht über klimawandelgerechte Stadtgestaltung mit dem Projekt PALM-4U.

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