#Chip happens Podcast: Folge 8 I Nachhaltige Mikroelektronik: Green ICT als Ziel für die Branche
Große Probleme brauchen häufig ziemlich kleine Helfer. Der Podcast »Chip Happens – Kleine Dinge, die alles verändern« von Chipdesign Germany zeigt, wie Mikroelektronik und Chipdesign dabei helfen können, die drängenden Fragen unserer Zeit anzugehen –jederzeit nachvollziehbar und alltagsnah.
Das Format richtet sich an alle, die verstehen wollen, wie Technik im Hintergrund wirkt und dennoch zentrale Weichen stellt. Kluge Köpfe aus der Branche sprechen hierfür mit Moderator Sven Oswald über ihre faszinierenden Geschichten, geben überraschende Einblicke und zeigen hautnah die vielen Möglichkeiten, die unser Fachbereich bietet.
In der ersten Staffel »Klimacooldown« erfahrt ihr, wie Mikroelektronik uns im Kampf gegen den Klimawandel unterstützt. Hierfür starten wir ganz weit oben, mit einem Blick auf unseren Planeten aus dem Weltall, um anschließend noch mehr über Klima und Wetter, Daten und Rechenzentren oder Mobilität und Klimaschutz zuhause zu erfahren. Wir freuen uns sehr, dieses besondere Projekt als Partner zu begleiten.

Folge 8 I Wie wir die Umweltbilanz der IKT verbessern können
Nachdem wir uns in der vorherigen Podcast-Episode mit den vielfältigen Anwendungsbereichen befasst haben, in denen die Mikroelektronik einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten kann, beschäftigen wir uns in der achten Folge mit der Umweltbilanz der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Die IKT verbraucht sowohl in der Herstellung als auch im Betrieb viel Energie und Ressourcen. Um diese Bedarfe besser nachzuvollziehen, begeben wir uns in einen Reinraum und schauen uns an, wie moderne Halbleiter hergestellt werden.
Dr. Phil. Lutz Stobbe, Senior Scientist und Gruppenleiter Sustainable Networks and Computing am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM, beschreibt uns den aktuellen und prognostizierten Energieverbrauch der Informationstechnik. Die Zahlen zeigen: Der Stromverbrauch der Branche steigt wieder, nachdem er in den vergangenen zehn Jahren relativ konstant geblieben ist. Das stellt unsere Produktions- und Netzkapazitäten vor eine Belastungsprobe. Doch ein höherer Stromverbrauch bedeutet nicht automatisch eine schlechtere Klimabilanz.
Dipl.-Ing Marco Kircher, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS, erklärt uns, warum die Chipherstellung so energie- und ressourcenintensiv ist. Schon die Herstellung der richtigen Umweltbedingungen in den Reinräumen verbraucht viel Strom. Die eigentliche Fertigung benötigt neben viel Energie auch giftige Lacke und Ätzstoffe. Der Umstieg auf umweltfreundlichere Stoffe wird von vielen Herstellenden dabei nach wie vor als zu risikoreich angesehen.
Worum geht es in der Folge?
Dr. Phil. Lutz Stobbe über den Energieverbrauch in der IKT-Branche |
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Situation: |
Der Energieverbrauch der Informationstechnik in Deutschland ist innerhalb der letzten zehn Jahre von 47 auf 56 Terrawattstunden vergleichsweise wenig angestiegen. Doch für die nächsten zehn Jahre gehen selbst konservative Schätzungen von einem Anstieg auf circa 76 Terrawattstunden aus. Den größten Anteil am Gesamtverbrauch der IKT haben Rechenzentren mit 52 %. |
Problemstellung: |
Sowohl der Betrieb als auch die Produktion von IKT verursachen hohe Treibhausgasemissionen. Der Strom für die Produktion und den Betrieb von IKT stammt aus verschiedenen Quellen, teils aus erneuerbaren Rohstoffen, teils aus fossilen Energien. In Deutschland gibt es einen relativ hohen Anteil an erneuerbaren Energien zur Erzeugung des benötigten Stroms. Das hilft dabei, die Umweltwirkung zu senken. Die Herausforderung für die Umwelt liegt häufig in der Herstellung von Geräten. Diese erfolgt meistens außerhalb Deutschlands, z. B. in Amerika oder Asien. Dort sind erneuerbare Energien nur wenig verfügbar. Das wirkt sich negativ auf die Umweltwirkung aus. |
Lösungsansätze/Innovationspotenziale: |
Die Grüne IKT (Green ICT) ist ein ganzheitlicher Lösungsansatz, welcher die gesamte Lebensdauer eines Chips von der Produktion über den Betrieb bis hin zur Entsorgung und eventuellen Wiederverwendung umfasst. Besonders Effizienz und Kreislaufwirtschaft spielen eine wichtige Rolle.
Grüne IKT ist ziel- und lösungsorientiert sowie interdisziplinär, da sie physikalische, technische und volks- und betriebswirtschaftliche Aspekte beachten muss. Es gibt bereits Regulierungen auf deutscher und europäischer Ebene, doch Unternehmen streben auch inhärent eine bessere Umweltbilanz an, denn die effizienteren Prozesse lohnen sich häufig auch finanziell. |
Weiterer Forschungs-/Entwicklungsbedarf/Aktuelle Projekte 1: |
Beim Betrieb von IKT ist es sinnvoll, auf erneuerbaren Strom zu setzen. So kann man das prognostizierte Wachstum des Stromverbrauchs vom CO₂-Ausstoß entkoppeln.
Ein gutes Instrument, um den Lifetime-Impact von einer elektronischen Komponente zu tracken, ist der ökologische Fußabdruck, den z. B. Apple seit 2007 für jedes produzierte iPhone errechnet.
Ein niedrigschwelliger Ansatz ist die »IT-Hygiene« – das Vermeiden unnötiger Datenproduktion und -speicherung sowohl für Firmen als auch für Privatpersonen. Viele Daten, die lokal oder auf Cloud-Servern gespeichert sind, werden nie mehr abgerufen.
Im Bereich der Fertigung verspricht die Chiplet-Technologie bzw. die Heterointegration großes Potenzial. Dabei müssen nur noch die Komponenten eines Chips mit fortgeschrittlichsten, energieintensiven Prozessen gefertigt werden, bei denen dies auch zu einer Leistungssteigerung führt. |
Dipl.-Ing Marco Kircher zur Herstellung und ihrer Umweltbilanz |
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Wie wird ein Mikrochip gefertigt? Die Pizza-Analogie: |
Marco Kircher vergleicht den Fertigungsprozess eines Mikrochips gerne mit einer Pizza: Der rohe Wafer (der unbelegte Pizzateig) wird vollflächig mit einem Lack behandelt (riesige Salamischeibe) und anschließend wird mittels Fotobelichtung dieser Lack (ein Großteil der Salami) wieder zerstört. Die zerstörten Teile werden anschließend per Ätzung entfernt. Dieser Prozess wird hundertfach mit wiederholt. Der fertige Chip wird am Ende in eine Platine integriert. |
Was macht die Herstellung so umweltschädlich? |
In den Reinräumen, in denen Chips hergestellt werden, muss die Luft extrem sauber sein. Denn schon ein winziges Staubkorn führt zu Verschmutzungen und verunreinigt den Prozess. Deshalb brauchen Reinräume sehr leistungsfähige Lüftungs- und Filteranlagen, die die Luft pro Minute mehrmals komplett umwälzen. Der Energieverbrauch dieser Anlagen muss zusätzlich auf den der eigentlichen Fertigungsmaschinen aufgerechnet werden.
Viele der Materialien, die bei der Chipherstellung zum Einsatz kommen, insbesondere die Lacke und Ätzmittel, sind extrem umweltschädlich, krebserregend und nicht recyclebar. Die Entsorgung dieser Stoffe stellt deshalb eine große Herausforderung dar. |
Wie lässt sich die Umweltbilanz der Chip-Herstellung verbessern? |
Bei bestehenden Reinräumen ist die Umstellung auf energieeffizientere Herstellung oder weniger giftige Materialien aufgrund der komplexen Prozesse schwierig. Herstellende sind meist nicht bereit, das betriebliche Risiko solcher Reformen zu tragen.
Bei neuen Reinräumen kann hingegen schon bei der Konzeptionalisierung die Umweltbilanz mitgedacht werden. Dies kann vom Wärmemanagement im Gebäude über effizientere Maschinen bis hin zu neuen, weniger gesundheitsschädlichen Materialien reichen. Der europäische IKT-Sektor steht hinsichtlich seiner Umweltbilanz im internationalen Vergleich gut da. Dies könnte auch einen Wettbewerbsvorteil darstellen, denn Firmen, die Produkte von europäischen Herstellern beziehen, können damit werben. Experte Lutz Stobbe wünscht sich hier noch mehr politischen Willen, eine Industriebasis in Europa zu schaffen, die gleichzeitig für mehr Souveränität und Umweltfreundlichkeit sorgt.
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Zur Folge 8 – Nachhaltige Mikroelektronik (Spotify):
Nächste Woche geht es in der neunten Episode um die Zukunft der Logistik. Sven Oswald spricht zu diesem Thema mit Tim Chilla, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, sowie mit Marius Schröder, Co-Gründer der Third Element Aviation GmbH.