#Chip Happens Podcast: Folge 5 I Von Energiewende bis Net-Zero: Leben, ohne CO₂-Ausstoß

Große Probleme brauchen häufig ziemlich kleine Helfer. Der Podcast »Chip Happens – Kleine Dinge, die alles verändern« von Chipdesign Germany zeigt, wie Mikroelektronik und Chipdesign dabei helfen können, die drängenden Fragen unserer Zeit anzugehen –jederzeit nachvollziehbar und alltagsnah.
Das Format richtet sich an alle, die verstehen wollen, wie Technik im Hintergrund wirkt und dennoch zentrale Weichen stellt. Kluge Köpfe aus der Branche sprechen hierfür mit Moderator Sven Oswald über ihre faszinierenden Geschichten, geben überraschende Einblicke und zeigen hautnah die vielen Möglichkeiten, die unser Fachbereich bietet.

In der ersten Staffel »Klimacooldown« erfahrt ihr, wie Mikroelektronik uns im Kampf gegen den Klimawandel unterstützt. Hierfür starten wir ganz weit oben, mit einem Blick auf unseren Planeten aus dem Weltall, um anschließend noch mehr über Klima und Wetter, Daten und Rechenzentren oder Mobilität und Klimaschutz zuhause zu erfahren. Wir freuen uns sehr, dieses besondere Projekt als Partner zu begleiten

©Fraunhofer Mikroelektronik

In dieser Episode von Chip Happens nimmt euch Sven Oswald mit auf eine spannende Reise durch die Geschichte und Zukunft der Energiewende.

In Folge 5 des Podcasts wird erklärt, wieso es bei der Energiewende so schnell gehen muss und wie wir durch technische Innovationen die Transformation unserer Gesellschaft beschleunigen können.

Dr. Tim Schulze, Referent für Mikroelektronik beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie umreißt für uns die historische Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland, und resümiert den jeweiligen Stand der Transformation bei Strom, Industrie, Gebäuden und im Verkehr.

Dr. Thomas Ramge, Techniksoziologe und Associated Researcher am Einstein Center Digital Future erklärt die dramatischen Folgen, die wir zu befürchten haben, wenn wir nicht durch radikale Veränderungen in der globalen Wirtschaft und Gesellschaft die Erderwärmung auf unter 2° Celsius begrenzen.

Die beiden Experten haben auch eine Menge technischer Lösungen im Gepäck, die uns im Kampf gegen den Klimawandel helfen könnten.

Diese Lösungen werden teilweise jedoch noch von verschiedenen Faktoren zurückgehalten. Während bei manchen Innovationen die Technik schlicht noch nicht weit genug entwickelt ist, scheitert es an anderer Stelle öfter noch an regulatorischen oder anderweitigen gesellschaftlichen Aspekten.

Worum geht es in der Folge?

In welchen Sektoren stockt die Energiewende? Und Welche technischen Innovationen können die Transformation beschleunigen?

Situation:

Der Klimawandel hat schon jetzt dramatische Auswirkungen auf den Planeten und uns Menschen. Doch was wir gerade erleben, ist laut Dr. Thomas Ramge nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was künftigen Generationen bevorsteht, wenn wir unseren Ausstoß von Treibhausgasen nicht radikal reduzieren.

Momentan sind wir auf einem Weg, der uns zum Ende des Jahrhunderts mit einer 2,8-3° Celsius wärmeren Erde konfrontieren würde.

Dies würde nach Dr. Range de facto einer Horrorvision gleichkommen, bei der Teile der Erde unbewohnbar wären.
Um dieses Szenario zu verhindern, brauchen wir eine rasante Verbreitung von erneuerbaren Energien, getragen von technischen Entwicklungssprüngen.

Problemstellung:

Dr. Tim Schulze gibt uns einen Überblick über die aktuelle Situation und die bestehenden Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende in den Sektoren:

1. Stromerzeugung
Die Stromerzeugung ist der Musterschüler der Energiewende. Erneuerbare Energien machen bereits heute einen bedeuten Teil des Strommixes aus, jedoch decken sich die Produktionsspitzen nicht mit den Bedarfsspitzen, was die Stabilität des Stromnetzes belastet.

2. Industrie
In der Industrie sinkt der Ausstoß von Treibhausgasen. Dies geschieht zum Teil durch energiesparende Innovationen, zum Teil aber auch durch Unterbelastung. Eine Herausforderung ist es, die Wettbewerbsfähigkeit von grünen Industrien angesichts der hohen Energiepreise beizubehalten.

3. Gebäude/Wärme
Mit Fernwärme und Wärmepumpen haben wir bereits wichtige Technologien für eine CO₂-neutrale Wärmewirtschaft zur Verfügung. Die energetische Sanierung ist jedoch insbesondere bei älteren Gebäuden in Deutschland aufwendig und teuer, und Fernwärme bedarf auch neuer Infrastruktur.

4. Verkehr
Der Verkehrssektor schneidet laut Dr. Tim Schulze am schlechtesten ab. Der Absatz von Elektroautos befindet sich in Deutschland noch weit hinter Verbrennern, auch weil Elektroautos deutscher Hersteller für viele unerschwinglich sind. Die Herstellung von Verbrennern ist seit jeher die Kernkompetenz der deutschen Autoindustrie, was die Transformation erschwert.

Lösungsansätze/Innovationspotenziale:

Dr. Thomas Ramge benennt einige Technologien, welche uns dabei helfen könnten die Energiewende erfolgreicher zu gestalten:

1. Kernfusion
Eine vielversprechende Lösung für eine grundlastfähige, emissionsfreie Energiequelle ist die Kernfusion. Im Gegensatz zu Atomenergie aus Kernspaltung hinterlässt sie weniger radioaktive Rückstände, und im Gegensatz zu Wind- und Solarenergie ist sie unabhängig vom Wetter. Es ist jedoch ist nicht abzusehen, wann die ersten Fusionsreaktoren einsatzbereit sind. Des muss auch erst einmal ohne sie geplant werden.

2. E-Autos in der Fläche und bidirektionales Laden
Mit einer flächendeckenden Nutzung von E-Autos könnten wir die Probleme von gleich zwei Sektoren – Stromerzeugung und Verkehr – angehen. Der Nutzen für die Dekarbonisierung des Verkehrs liegt auf der Hand, gleichzeitig kann aber die Speicherkapazität, welche die Batterien von E-Autos bietet, uns auch dabei helfen über bidirektionales Laden Produktions- und Bedarfsspitzen auszugleichen.  Die Besitzerinnen und Besitzer von E-Autos könnten perspektivisch für ihre Dienste zur Stabilisierung der Netze entlohnt werden. Wenn Fahrzeuge beispielsweise während Produktionsspitzen geladen werden, und die Energie in den Batterien anschließend während einer Bedarfsspitze zur Verfügung gestellt wird, lässt sich aus der Strompreisdifferenz ein Profit erwirtschaften.

3. Neue Rechentechnologien wie Neuromorphes- und Quantencomputing
Theoretisch können wir schon heute mit aufwändigen Algorithmen und KI viel für die Energiewende tun. Zum Beispiel kann mit 3D-Scans von alten Gebäuden erkannt werden, an welchen Stellen energetische Sanierungsmaßnahmen am ertragreichsten wären und wo sich diese weniger lohnen. Mit KI kann man die Schwankungen im Strombedarf erfassen und auch prognostizieren, um variable Produktionsleistung zu- oder abzuschalten. Doch diese Algorithmen und besonders KI kostet enorm viel Energie, was die Kosten-Nutzen-Kalkulation negativ beeinflusst. Wenn es uns gelingt, durch Quanten- und Neuromorphes Computing den Energieverbrauch von Computing um bis zu das hundertfache zu senken, könnten wir diese und andere smarte Software vermehrt einsetzen und die Energiewende stark beschleunigen.

Weiterer Forschungs-/Entwicklungsbedarf / Aktuelle Projekte:

An der Kernfusion wird in Europa viel geforscht, das Projekt ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) in Südfrankreich ist das größte seiner Art, aber auch kleine Projekte mit anderen technischen Ansätzen wie der Wendelstein 7-X in Greifswald werden zurzeit umgesetzt. Mit der Weiterentwicklung von technologieoffenen Hardwarelösungen für Quanten- und neuromorphem Computing beschäftigt sich die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland intensiv seit Ende 2022 im Projekt FMD-QNC.

Für bidirektionales Laden von E-Autos existieren wenige technische Hürden, sondern eher regulatorische und solche in der Standardisierung. Man denke zum Beispiel an ein passendes Framework, über das Autobesitzer für die Bereitstellung ihrer Batterieleistung entlohnt werden. Mehr dazu könnt ihr im Policy Brief des Fraunhofer ISI lesen.

Dr. Tim Schulze ist zuversichtlich, dass wir die technischen Möglichkeiten finden werden, um die Energiewende umzusetzen. Doch er erkennt auch an, dass das Problem nicht rein technischer Natur ist. Denn die Transformation muss ganzheitlich gedacht werden, was eine technische, aber auch eine gesellschaftliche Komponente impliziert. Diesen gesellschaftlichen Aspekt, also die Akzeptanz und Freude an der Transformation, habe in den letzten Jahren in Deutschland gelitten. Deshalb müssen wir darauf achten, eine positive Vision der Energiewende zu kommunizieren, um diese nicht nur als Notwendigkeit, sondern auch als Chance für mehr Wohlstand zu begreifen.

Zur Folge 5 – Von Energiewende bis Net-Zero (Spotify):

In der kommenden Folge 6 freuen wir uns schon auf das Thema »Verkehrswende und Smart Mobility: Klima- und Menschenschonend unterwegs«.

Hierfür spricht Sven Oswald mit Fanny Tausendteufel, Projektleiterin Industriepolitik bei »Agora Verkehrswende«, darüber, warum es beim Sorgenkind Verkehrswende in Deutschland stockt und wie wir sie beschleunigen können.

Mit Christian Andresen, »Geschäftsführer von Solar Andresen«, reisen wir anschließend nach Sprakebüll, wo einer von Deutschlands ersten Bürgerwindparks steht und wo die Energie- und Verkehrswende schon lange gelebt wird.

FMD.projekte mit Bezug zu diesem Text